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Die unantastbare und unteilbare Würde der menschlichen Person zu schützen und zu achten: Das ist der heute weltweit anerkannte Anspruch, vor dem staatliche Gewalt sich zu legitimieren hat. Im Zeichen dieses Anspruchs ist die ethische Begründung politischen Handelns unablösbar von der Beantwortung der Frage: Was ist der Mensch? Die Antwort auf diese Frage allerdings wird nicht im philosophischen Denkerstübchen konstruiert, sondern sie ist eine Implikation der tragenden Prämissen und Paradigmen des Weltbildes, von dem eine Kultur und die Epoche, die sie hervorgebracht hat, geprägt sind. Wer diese Antwort prüfend beurteilen will, muss deshalb fähig sein, zu dem ihm von seiner Kultur vorgegebenen Weltbild in Distanz zu treten. Diesem Ziel dient die in der vorliegenden Studie unternommene Rückbesinnung auf den ¿ dem Horizont der klassischen Metaphysik und der mit ihr verbundenen eudaimonistischen Ethik entstammenden ¿ Begriff der menschlichen Natur. Nur im Rückbezug auf ihren natürlichen Ursprung kann sich die Ordnung unseres Zusammenlebens auf einen Grund stützen, der über die Epoche, von der sie geschichtlich nolens volens abhängig ist, hinaus weist.
Europa besitzt keine Identität im Sinne eines kulturellen oder religiösen Erbes, sondern definiert sich durch seine Spannung zwischen einer Klassik der Anderen, die es anzueignen, und einer Barbarei im Inneren, die es zu überwinden gilt. Das Besondere der europäischen Identität liegt in ihrer ¿kulturellen Zweitrangigkeit¿: in dem Wissen, nicht ursprünglich zu sein, sondern vor sich Anderes, Früheres zu haben ¿ kulturell die griechische Antike, religiös das Judentum. ¿Römisch¿ ist die Haltung der Aneignung, der Überlieferung und der Weitergabe: Europas exzentrische Identität ist die Quelle aller Renaissancen, deren dieser Kontinent fähig gewesen ist, von der karolingischen Renaissance bis zur Renaissance des Hellenismus der deutschen Klassik. Das ¿Römertum¿ der Europäer ist zum Ursprung ihres kulturellen Reichtums geworden. Und heute stellt sich die Frage, ob wir noch ¿Römer¿ sind und sein wollen: aneignend, überliefernd, weitergebend. Wer Europa verstehen lernen will, muss zu diesem Buch, das inzwischen in dreizehn Sprachen übersetzt wurde, greifen.
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