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Vor vielen tausend Jahren, als die Menschen noch keine Kleider trugen, lebte mitten in der Erde ein Zwerg, so tief unten, daß kein Mensch etwas von ihm wußte. Und er selber wußte von den Menschen auch nichts, denn er hatte sehr viel zu thun. Er war ein König über die andern Zwerge, und schon fünf mächtige Höhlen hatte er sich ausputzen lassen, und war ganz alt und grämlich dabei geworden, so viel hatte er zu befehlen.Es war aber nicht dunkel da unten in den Höhlen, sondern eine glänzte immer bunter als die andre, so viel Diamanten und Opale hatte das Zwergvolk drin aufgebaut, und die Wände waren von blankem Krystall, jede in einer besonderen Farbe. Und da saß nun der König der Zwerge, in seinem Mantel von schwarzem Sammet, auf einem großen grünen Smaragdstein, und faßte sich an seine spitze Nase und überlegte mit seinen alten Fingern, ob auch Alles hell genug wäre. Er fand es aber durchaus nicht hell genug.Da machten ihm die andern Zwerge eine sechste Höhle zurecht, mit Wänden von lauter Rubinen, die wie ein einziger Feuerschein glühten, und das dauerte tausend Jahre, aber er fand auch Das noch nicht hell genug. Als er nun immer trauriger wurde in seinem schwarzen Sammetmantel, kamen die Andern alle zusammen, und die jüngsten sagten zu den alten: laßt uns eine blaue Höhle machen!
1. Der ästhetische Thorschreiber. Halt Passagiere! Wer seid ihr? Wes Standes und Charakteres? Niemand passieret hier durch, bis er den Paß mir gezeigt. 2. Xenien.Distichen sind wir. Wir geben uns nicht für mehr noch für minder,Sperre du immer, wir ziehn über den Schlagbaum hinweg. 3. Visitator. Öffnet die Koffers. Ihr habt doch nichts Konterbandes geladen? Gegen die Kirche? den Staat? Nichts von französischem Gut? 4. Xenien. Koffers führen wir nicht. Wir führen nicht mehr, als zwei Taschen Tragen, und die, wie bekannt, sind bei Poeten nicht schwer. 5. Der Mann mit dem Klingelbeutel. Messieurs! Es ist der Gebrauch, wer diese Straße bereiset, Legt für die Dummen was, für die Gebrechlichen ein.
Heinrich Christian Wilhelm Busch (* 14. April[1] 1832 in Wiedensahl; ¿ 9. Januar 1908 in Mechtshausen) war einer der einflussreichsten humoristischen Dichter und Zeichner Deutschlands. Zudem war er als von niederländischen Meistern beeinflusster Maler tätig.Seine ersten Bildergeschichten erschienen ab 1859 als Einblattdrucke. In Buchform wurden sie erstmals 1864 unter dem Titel Bilderpossen veröffentlicht. Schon seit den 1870er Jahren in ganz Deutschland berühmt, galt er bei seinem Tod dank seiner äußerst volkstümlichen Bildergeschichten als ¿Klassiker des deutschen Humors¿.[2] Als Pionier des Comics schuf er u. a. Max und Moritz, Fipps, der Affe, Die fromme Helene, Plisch und Plum, Hans Huckebein, der Unglücksrabe, die Knopp-Trilogie und weitere, bis heute populäre Werke. Oft griff er darin satirisch die Eigenschaften bestimmter Typen oder Gesellschaftsgruppen auf, etwa die Selbstzufriedenheit und Doppelmoral des Spießbürgers oder die Frömmelei von Geistlichen und Laien. Viele seiner Zweizeiler sind im Deutschen zu festen Redewendungen geworden, zum Beispiel ¿Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr¿ oder ¿Dieses war der erste Streich, doch der zweite folgt sogleich¿.
Nord und West und Süd zersplittern, Throne bersten, Reiche zittern: Flüchte du, im reinen Osten Patriarchenluft zu kosten, Unter Lieben, Trinken, Singen Soll dich Chisers Quell verjüngen.Dort im Reinen und im Rechten Will ich menschlichen Geschlechten In des Ursprungs Tiefe dringen, Wo sie noch von Gott empfingen Himmelslehr' in Erdesprachen Und sich nicht den Kopf zerbrachen.Wo sie Väter hoch verehrten, Jeden fremden Dienst verwehrten; Will mich freun der Jugendschranke: Glaube weit, eng der Gedanke, Wie das Wort so wichtig dort war, Weil es ein gesprochen Wort war.Will mich unter Hirten mischen, An Oasen mich erfrischen, Wenn mit Karawanen wandle, Shawl, Kaffee und Moschus handle; Jeden Pfad will ich betreten Von der Wüste zu den Städten.Bösen Felsweg auf und nieder Trösten, Hafis, deine Lieder, Wenn der Führer mit Entzücken Von des Maultiers hohem Rücken Singt, die Sterne zu erwecken Und die Räuber zu erschrecken.
Wer im Jahr 1824 abends hie und da in den Gasthof »Zum König von England« in Stuttgart kam, oder nachmittags zwischen 2 und 3 Uhr in den Anlagen auf dem breiten Weg promenierte, muß sich, wenn anders sein Gedächtnis nicht zu kurz ist, noch einiger Gestalten erinnern, die damals jedes Auge auf sich zogen. Es waren nämlich zwei Männer, die ganz und gar nicht unter die gewöhnlichen Stuttgarter Trinkgäste oder Anlagenspaziergänger paßten, sondern eher auf den Prado zu Madrid oder in ein Café zu Lissabon oder Sevilla zu gehören schienen. Denket euch einen ältlichen, großen, hageren Mann mit schwärzlich grauen Haaren, tiefen, brennenden Augen, von dunkelbrauner Farbe, mit einer kühngebogenen Nase und feinem, eingepreßtem Mund. Er geht langsam, stolz und aufrecht. Zu seinen schwarzseidenen Unterkleidern und Strümpfen, zu den großen Rosen auf den Schuhen und den breiten Schnallen am Kniegürtel, zu dem langen, dünnen Degen an der Seite, zu dem hohen, etwas zugespitzten Hut mit breitem Rande, schief an die Stirne gedrückt, wünschet ihr, wenn euch nur einigermaßen Phantasie innewohnt, ein kurzes geschlitztes Wams und einen spanischen Mantel, statt des schwarzen Frackes, den der Alte umgelegt hat.Und der Diener, der ihm ebenso stolzen Schrittes folgt, erinnert er nicht durch das spitzbübische, dummdreiste Gesicht, durch die fremdartige, grelle Kleidung, durch das ungenierte Wesen, womit er um sich schaut, alles angafft und doch nichts bewundert, an jene Diener im spanischen Lustspiel, die ihrem Herrn, wie ein Schatten treu, an Bildung tief unter ihm, an Stolz neben ihm, an List und Schlauheit über ihm stehen? Unter dem Arm trägt er seines Gebieters Sonnenschirm und Regenmantel, in der Hand eine silberne Büchse mit Zigarren und eine Lunte.
Ein Irrlicht, schwebt ich heut im Traume auf einem weiten, düstren Sumpfe, und um mich der Gespielen Reigen in wunderlich geschlungnen Kränzen. Wir sangen traurig-süße Lieder mit leisen, feinen Geisterstimmen, viel feiner als die lauten Grillen, die fern im Korn eintönig sangen. Wir sangen, wie das harte Schicksal uns wehre, daß wir Menschen würden: So oft schon waren wir erschienen, wo sich zwei Liebende vereinten, doch immer, ach, war schon ein andres Irr-Seelchen uns zuvorgekommen, und seufzend hatten wir von neuem zurück gemußt zum dunklen Sumpfe. So sangen wir von unsern Leiden ¿ als uns mit einem Mal Entsetzen in wirren Läufen huschen machte. Ein Mensch entsprang dem nahen Walde und lief verzweifelten Gebarens gerade auf uns zu ¿: Der Boden schlug schwankend, eine schwere Woge, dem Armen überm Haupt zusammen. Verstummt zu zitterndem Geflüster umschwirrten wir die grause Stelle ... Bald aber sangen wir von neuem die alten traurig-süßen Lieder.
PETER jagt einem Schmetterling nach, den er endlich mit dem Hute erhascht. Aha! dich hab ich erwischt. Ei, der ist gewaltig schön, rot und blau und gelb. Er spießt ihn an eine Nadel und steckt ihn auf den Hut. Sapperlot! ich bin doch ein gescheiter Junge, wenngleich mein Vater immer spricht: dummer Peter! Der Peter ist aber gar nicht dumm. Da hat er seinen Hut aufgedonnert, daß jeder Bauerdirne das Herz im Leibe lachen wird. Der Vater will immer so gescheut sein, will immer alles besser wissen; bald red' ich zu viel, bald zu wenig, und wenn ich einmal mit mir selbst rede, so nennt er mich gar einen Narren: und ich rede doch am liebsten mit mir selbst, denn ich versteh' mich am besten; und ich selbst lache mich auch niemals aus, wie die andern wohl zu tun pflegen. Das Auslachen ist eine abscheulich ärgerliche Gewohnheit. Ja, wenn Madam Müller mich auslacht, das laß ich noch hingehn; die verzieht das Mäulchen dabei so süß und artig, daß man meint, sie lecke an einer Zuckerpuppe. Im Begriff zu gehn und wieder umkehrend. Ach potz Velten! da hätt' ich beinahe vergessen, warum ich kam. Nun ja, da wäre wieder auf meine Kosten gelacht worden. Er zieht einen Beutel heraus. Das Geld soll ich dem alten Tobies bringen, und Madam Müller hat mir befohlen, nicht ein Wörtchen davon auszuplaudern. Nun, nun, da kann sie ganz ruhig sein: aus meinem Munde kommt keine Silbe. Schön ist Madam Müller, sehr schön! aber dumm, entsetzlich dumm! denn mein Papa sagt: wer sein Geld vertut, der handelt unvernünftig; aber wer es gar verschenkt, den muß man je eher je lieber ins Tollhaus bringen.
Ich weis in der That nicht, was ich der Welt, indem ich ihr diese Lieder übergebe, für ein Compliment machen soll. Sie wird unzufrieden seyn, daß man sie mit solchen Tändeleyen überhäuft, und ich werde nichts darauf zu antworten wissen, und es Zeit genug bereuen. Aber was ist der Autorstolz nicht für eine wunderliche Sache? Man glaubt anfangs blos zu seinem Zeitvertreibe zu spielen, man gefällt sich, und wie bald bildet man sich nicht ein, man müsse auch der witzigen Welt gefallen? Man läßt drucken, man wird getadelt: man nimmt es übel, schreyt über den Verfall des Geschmacks, und es fehlt nicht viel, daß man seine Leser nicht lieber gar für Thoren hält. Und wer war der größte Thor? ich will die Frage unentschieden lassen: die Antwort möchte den Autor zu sehr demüthigen. These World was made for fools, sagt Shakespear, und wer wollte sich davon ausschließen? Das größte Verdienst des Autors, wenn er einiges hat, ist, daß er noch einen großen Theil von solchen Kleinigkeiten unterdrückt, und niemals wieder auf diese Art zu erscheinen verspricht.Unter den Liedern sind einige aus der Stephanianischen Anthologie, und aus dem Französischen entlehnt. Da der Autor aber vergessen, woher er eins oder das andere genommen hat: so will er sie, um sie nicht unrichtig anzugeben, lieber gar nicht angeben; und wie wenig würde auch daran liegen, wenn sie das Glück zu gefallen hätten.
Am Abend, wenn die Glocken Frieden läuten, Folg ich der Vögel wundervollen Flügen, Die lang geschart, gleich frommen Pilgerzügen, Entschwinden in den herbstlich klaren Weiten. Hinwandelnd durch den dämmervollen Garten Träum ich nach ihren helleren Geschicken Und fühl der Stunden Weiser kaum mehr rücken. So folg ich über Wolken ihren Fahrten. Da macht ein Hauch mich von Verfall erzittern. Die Amsel klagt in den entlaubten Zweigen. Es schwankt der rote Wein an rostigen Gittern, Indes wie blasser Kinder Todesreigen Um dunkle Brunnenränder, die verwittern, Im Wind sich fröstelnd blaue Astern neigen.
Durchbrochen hab ich ihrer Wächter Schar Und die Verwandten, welche alle wünschten, Mich mit dem Dolche meuchlings umzubringen. Am Firmamente standen die Plejaden Und funkelten, so wie die Edelsteine An den Gewändern schöner Frauen glühn. Ich kam und sah: Bei einem Vorhang legte Sie ihre Kleider ab, um dann zu schlafen; Nur einen Schleier noch behielt sie an. Sie sprach zu mir: Ich schwöre, daß du heute Mich nicht umarmen sollst. Wirst du denn niemals Den Weg zurück zur frommen Tugend finden? Und dennoch schritt sie mit mir in die Nacht. Wir ließen hinter uns ein Tuch hinschleifen, Um auszulöschen unsrer Schritte Spur. Als wir dem Dorf genügend ferne waren, Wandte sie ihre Schritte einem Tale, Das ganz mit weißem Sand erfüllt war, zu. Da neigte meine Liebste sich zu mir Und schmiegte ihren Kopf an meine Brust, Und ihres Körpers Schlankheit fühlte ich. Vollendet schön sind ihre jungen Schenkel, Ihr Leib ist weiß und klein, und ihre Brust Strahlt wie das blanke Glänzen eines Spiegels. Sie wendet sich: und reizend starrt ihr Busen. Ihr Blick ist scheu; so blickt wohl die Gazelle, Die sorgenvoll ihr Junges überwacht. Auch ihre Brust ist von Gazellenart, Nur daß die sanfte Brust meiner Geliebten Durch Edelsteine noch verschönert wird. Nachtschwarz sind ihre Haare, und sie fluten Auf ihren Rücken, üppig wie die Dolden Der Dattelfrüchte an den Palmenkronen. Und dieses Haar ist lockig; in den Flechten, Den aufgerollten und den wallenden, Verschwinden ihre Kämme ganz und gar. In sanfter Rundung prangen ihre Hüften, Die zierlichen. Und ihre feinen Beine Sind schlank wie Binsen, die im Wasser stehn. Am späten Morgen steht sie auf. Ein Duft, So wundervoll, als stamm er von Muskat, Umweht ihr Lager. Sie erhebt sich spät, Weil kein Geschäft sie, keine Arbeit zu Besorgen hat. Die Finger ihrer Hände Sind zart und rosig, kleinen Blüten gleich. Ihr Teint besitzt die Farbe eines Eis, Gelegt von einer jungen Straußin, die Nur immer silberklares Wasser trank. Ihr Teint ist ambrafarben. Er durchschimmert Die Nacht wie eine Fackel, die ein frommer Einsiedler in der Finsternis erhebt.
So, jetz is die Mudda in der Kich, un der Vadda is ausgange, jetz kann ich aach mei Buch auslese. Ich hob's gut vasteckelt. (Holt unter dem Bett einen alten Kasten hervor, und zieht ein grünes Buch heraus.) Ich meegt nor wisse, warum se's battuh net leide wolle, daß ich die Bicher les, es stehn doch lauder so scheene Sache drin. (Sie setzt sich.) Wo wor ich dann steh gebliwwe ¿ des is e wohr Mallehr, ma kann so e Buch gor net im Zammehang lese. (Sie lies't eine Zeit lang für sich.) Nah, des worn scheene Zeite! Wann's nor alleweil noch so wehr! Do wehr ich ein Freilein, un der Fritz wehr e junger Ridda, un mei Valdin aach, un dem deht ich e lilafarwig Scherf sticke ¿ weil ich die Lilaklahder am gernste draag ¿, un die deht er umhenke un uf Owendeier ausziehe, un deht jeden zum Zweikampf erausfoddern, der ebbes geje mich hett. Un der Vadda sehß im Riddasaal, un ich deht em de volle Becher kredenze, un wann ich Owends ellah uf dem Balkon wehr, un in die blaue Ferne enausblicke deht, wann grod die Schoof hahmgingte, deht ich sehnsichtige Lieder an mein ferne Valdin singe! Ach wos wehr des so schee! Un wann dann mei Valdin vum Tornier hahmkehm, un deht mer all die Breise zu Fihse lege, die er im Kampf gewunne hett, un deht soge: »Die feindliche Kuchele hawwe mich verschont, jetzt sog mer, meine Angebetete, liebst du mich?« do deht ich en verschehmt ohgucke un antworde: »Ridda, ich bitt mer Bedenkzeit aus, ich will mei Herz befroge.« Un dann deht er vor mer uf die Knie falle, un ausrufe: »o Dame meines Herzens, ohne dich kann ich nicht lewen, un kah anner nemm ich net!« un do kennt ich net mehr widdersteh un deht sanft lisbele: »ja, Valdin, ich liebe dich!« (Sie seufzt.)
An einem Frühlingstage, einem richtigen warmen Pessachtage, gehen Reb Schachno, ein langer, magerer Jude, der letzte Überrest der alten Kozker Chassidim-Gemeinde, und Reb Sorach, ein ebenso magerer, doch kleingewachsener Jude, der letzte lebende Vertreter der alten Belzer Gemeinde, vor der Stadt spazieren. In ihren jüngeren Jahren waren sie Feinde auf Tod und Leben, denn Reb Schachno war der Anführer der Kozker gegen die Belzer, und Reb Sorach der Anführer der Belzer gegen die Kozker. Doch jetzt, wo sie beide alt geworden sind und die Kozker nicht mehr das sind, was sie früher waren, ebenso wie auch die Belzer ihr früheres Feuer verloren haben, sind sie aus den Parteien ausgetreten und haben die Führerschaft jüngeren Leuten überlassen, die in Glaubenssachen schwächer, sonst aber rüstiger sind als sie. An einem Wintertage, an der Ofenbank im Bethause haben sie Frieden geschlossen, und nun gehen sie am dritten Pessachfeiertage spazieren. Am weiten, blauen Himmel strahlt die Sonne, aus der Erde sprießen überall Halme, und man kann beinahe sehen, wie bei jedem Grashalme ein Engel steht und ihn zur Eile antreibt. Vögel schießen durch die Luft auf der Suche nach den vorjährigen Nestern. Und Reb Schachno sagt zu Reb Sorach: »Die Kozker Chassidim, die richtigen Kozker von altem Schrot und Korn ¿ von den heutigen Kozkern spreche ich nicht! ¿ hielten nicht viel von der Haggodo ¿« »Doch um so mehr von den Mazzeknödeln!« lächelt Reb Sorach. »Lache nicht über die Knödel!« antwortet Reb Schachno sehr ernst. »Lache nicht! Du kennst doch die geheime Bedeutung des Bibelwortes: ¿Du sollst den Knecht nicht seinem Herrn überantworten¿?« »Mir genügt es,« antwortet Reb Sorach stolz und überlegen, »daß ich die Verzückung des Gebets kenne.«
Ich fuhr mit Postfuhrwerk aus Tiflis. Die ganze Ladung meiner Teläga1) bestand aus einem kleinen Koffer, welcher zur Hälfte mit Reisenotizen über Grusien vollgestopft war. Zu Ihrem Glücke ist der größte Theil derselben verloren gegangen, der Koffer hingegen mit den übrigen Sachen blieb zu meinem Glücke unversehrt. Die Sonne fing bereits an sich hinter den Eisrücken der Berge zu verstecken, als ich in das Koischaurskische Thal hineinfuhr. Mein Postillon, ein Ossete, trieb unermüdlich die Pferde an, um noch vor Nacht den Koischaur-Berg zu erreichen, und sang aus voller Kehle Lieder dazu. Welch¿ herrlicher Ort ist dieses Thal! Von allen Seiten unersteigbare Berge, röthliche Felsen mit grünendem Epheu umhängt und von Gruppen des orientalischen Ahorns gekrönt; vergelbte Fragmente ausgespühlter Anschwemmungen, und dort, in lustiger Höhe, die goldige Franse der Schneemassen, und in der Tiefe die Aragwa, die im Verein mit einem andern namenlosen Flüßchen sich mit Geräusch aus der tiefen Finsterniß einer Kluft herauswindet, dann, einem Silberfaden gleich, sich dahinzieht und wie eine Schlange im Glanze ihrer Schuppen schimmert. Am Fuße des Koischaur angelangt, hielten wir an einem Duchan still. Einige zwanzig Grusier und Gorzen trieben sich dort lärmend umher; nicht weit davon hielt eine Karawane Kameele zum Nachtlager. Hier sagte man mir, daß ich Ochsen zum Vorspann nehmen müsse, wenn ich meinen Wagen diesen verwünschten Berg hinaufschaffen wollte, denn es war bereits um die Herbstzeit und viel Glatteis, und der Berg hat eine Länge von ungefähr zwei Werst. Es blieb mir nichts weiter übrig; ich miethete sechs Ochsen und einige Osseten. Einer von ihnen nahm meinen Koffer auf die Schultern und die andern fingen an den Ochsen, wenn auch fast nur durch bloßes Schreien, zu helfen.
Der Kaspar war von Jugend auf ein gesunder baumstarker Kerl gewesen, der mit fünfzehn Jahren seinen Pflug leitete und seine Sense führte wie ein Alter; und wenn er abends nach Hause kam, verstand er's gleichfalls, in Kartoffeln und Klötze einzuhauen wie der beste Meisterknecht. Der Sebulon aber hatte in seiner Jugend die englische Krankheit gehabt und Lebertran drei Jahre trinken müssen statt Bier. Auch alle andern Kinderkrankheiten machten ihm's Leben sauer. Zwar erkriegte er sich nach dem vierzehnten Jahr, aber krumme Wackelbeine behielt er, und der Barbier hat nie viel von ihm verdient, weil er keinen Bart bekam. Zum Vieh und Ackergerät hatte er kein Gemüt; am liebsten lag er hinterm Ofen, spielte mit Nachbarskindern, die viel jünger waren als er und tüftelte ihnen allerhand Spielzeug zusammen, setzte den Tierchen aus der Arche Noä abgebrochene Köpfe und Beine vom Wachs wieder an und nähte Puppenkleidchen. Der alte Andres sah, daß er im Felde nichts taugte, und gab ihn zu einem Schneider in die Lehre. Er lernte auch sein Handwerk rechtschaffen und kam noch eh' der Vater starb in gute Kundschaft herein. Nur die Mädchen wollten nichts von ihm wissen, auch die nicht, denen er ehemals Puppenhemdchen gemacht hatte; sie spotteten eher über ihn und ärgerten ihn mit dem Spitznamen Meister Scherenbein, den sie ihm wegen seiner kreuzweis gewachsenen Untertanen anhängten. Dadurch verlor er ordentlich den Mut, sich zu verlieben und hing sich desto mehr an seinen Bruder Kaspar. Der aber nahm sich schon früh, wie's gute Sitte ist auf dem Lande, eine Frau und kriegte mit der richtig alle Jahr ein Kind.
Habt ihr schon mal unser Nesthäkchen gesehen?Es heißt Annemarie, Vater und Mutti aber rufen es meistens »Lotte«. Ein lustiges Stubsnäschen hat unser Nesthäkchen und zwei winzige Blondzöpfchen mit großen, hellblauen Schleifen. »Rattenschwänzchen« nennt Bruder Hans Annemaries Zöpfe, aber die Kleine ist ungeheuer stolz auf sie. Manchmal trägt Nesthäkchen auch rosa Haarschleifen, und die Rattenschwänzchen als niedliche, kleine Schnecken über jedes Ohr gesteckt. Doch das kann es nicht leiden, denn die alten Haarnadeln pieken. Sechs Jahre ist Annemarie vor kurzem geworden, ihre beiden Beinchen stecken in Wadenstrümpfen und hopsen meistens. Keinen Augenblick stehen sie still, geradeso wie ihr kirschrotes Mäulchen. Das schwatzt und fragt den ganzen lieben Tag, das lacht und singt, und nur ganz selten mal verzieht es sich zum Weinen.
Nur wenn sie das Narrenkleid auszieht. Die Zustimmung überschreiend. Durch den Panzer soll sie unverwundbar sein. Unter höhnendem Gelächter. Glaubt eins den Unsinn, den ihre Marie allüberall in der Stadt herumträgt? Das Lachen wird rauher, leiser. Diese Grille kann ihr bloß durchs Ueberschnappen gekommen sein. Und in dem, ihrem übergeschnappten, Zustand hat sich der A f f e für uns, für die Weiber, aufgemacht. D e r für die Weiber! Sie reißt wieder zum Hohnlachen hin. Der meint wohl jetzt, das schieb ihn rein! So dumm ist er gar nicht, er weiß, warum er sich gerade an eine mehr feine Frau wendet. Die weiß nichts von der Trottel, mit der sein Abscheu aufgewachsen ist. 's ist darum aber auch unsere Pflicht, der schönen Frau 's nackig Gemälde von ihm zu zeigen, womit ihn der Riedel verulkt hat. Schallende Lache. Das wird, denk ich, wohl helfen. Hilft's aber nicht, dann ist die Frau Wird ganz leise. bloß schön am Kopf und ist wie Molch im übern.
Dies ist einer der stillsten Tage des Jahres. Wir schreiben den 22. September. Ich sitze vor dem weitgeöffneten Fenster meiner Werkstatt. Drüben auf der Wiese liegt die Sonne wie eine große rote Frucht. Zum erstenmal auf der lächelnden Insel meiner Gelassenheit kommt mir der Gedanke, welche Leidenschaft sich hinter Tagen verbirgt, an denen bereits der Geruch des modernden Laubes sich mit dem von Korn und Äpfeln und Rosen vermengt. Ein immer Verhaltenes und Ungelöstes will nicht Ruhe geben. Denn ehe es nicht zum Austrag gelangte, kann der große Abschied nicht die große Verklärung werden.Solcherlei Gedanken hängen wohl mit dem kleinen silbernen Herzen zusammen, das vor ein paar Tagen zu mir zurückkam. Seit ich es aus dem verblichenen Samtkästchen herausnahm, ist auf dem Grunde meines Gehörs fortwährend ein gleichförmiges, schweres Rauschen.
Hier habt Ihr mein Buch! Euch gehöre es, weil es zugleich ein gutes und markiges, saftgeschwollenes Stück Eures intimsten Seelenlebens darstellt. Kann ich irgendeinen finden, der diesen harten Herzensfehden näher stünde als Ihr? Der dieser vieltönigen, im buntesten Melodienkranze vorgetragenen Beichte ein seelenvolleres Verständnis, eine feinere, durchgeistigtere Aufnahmefähigkeit entgegenbringen könnte als Ihr? Mit so vielen dieser Lieder und Gesänge ist die große Jugendfreundschaft, die uns ein heiteres und wohlwollendes Schicksal reizvoll und keimkräftig, bildend und blicköffnend, zusammen aufführen und ausbauen ließ, so eng, so untrennbar verwoben und verwachsen! Manche dieser Weisen kennt Ihr wohl auch schon, und Ihr habt in ihr Ausdruck und Wiedergabe gefunden von Seelenspannungen, die uns bis in das Allerheiligste unserer wir haben es nachgerade erfahren! andersgearteten Brust aufgewühlt und ergriffen hatten! ... Vieles ist Euch noch neu ich denke, Ihr werdet Euch auch mit ihm abfinden können, wenigstens bis an die Schwelle heran, die nun einmal auch die treuesten, rückhaltlosesten Herzgenossenschaften zu nur bedingten macht ...
Ach, ich wohlt, ich wer doht! Die Taß do hot jo en Sprung! Betrachtet sie. Die hot mer der Kall emol zum Bräsent gemacht un jetz den Sprung, grood dorch die Lieb un Freindschaft: des baßt. Sieht durch's Fenster. Ach, do geht er jo! Un der Datterich hot- en am A(r)m; wos der Kujon for e Poor varissene Stiewel ohhott, un der Kall scheemt sich net un geht mitem: sei Rock is voller Fissel, wo er sonst immer so brobher wor. Er guckt net emol eruf! Des hot er sonst immer gedah! des Gewisse werd-en dricke. Da, jetz sinn se um die Eck: Der fihrt-en gewiß in's Werthshaus! Halb weinend. Ach! Sie spühlt wieder an den Tassen. Es zerbricht eine. Die wehr vabroche! Meintwäje, es is jo nor e Taß un spihrt nix: awwer Kall, Kall! du host mer mei Herz vabroche, des spihrt's!
Auf das bürgerliche Leben endlich, in welchem die verschiedenen Kräfte der menschlichen Natur sich vermählen und fruchtbar werden, wird unser Blick und Sinn, wie die Zeit selbst es tut, am häufigsten gerichtet sein. Hätten die, welche alle Macht besaßen, die Befriedigung eines natürlichen Triebes nicht so lange verwehrt, dann wäre dieser gesunde Trieb nie in eine krankhafte Sucht ausgeartet. So mögen sie denn ihre unbeschreibliche Angst als Strafe ihres Vergehens in Demut tragen.Nämlich: Narren von Philosophen hatten das Menschengeschöpf ganz drollig in ein dreistöckiges Haus abgeteilt und Staatsbaumeister diesen willkommenen Plan schnell und schadenfroh ausgeführt. Unten solle das Vieh wohnen, über ihm der Mensch, nächst dem Dache der Bürger. Diese verschiedenen Bewohner Eines Hauses lebten lange in stiller Feindschaft und offnem Hader. Wenn das Erdgeschoß knurrte und biß, ließ der Fromme über ihm sich in Sittenpredigten vernehmen, und die Memme im dritten Stocke versteckte sich und keifte aus ihrem Schlupfwinkel hervor. Die schlaue, immer wache und lauernde Zwingherrschaft benutzte diesen Streit, um jeden allein nach seiner Art zu bändigen, was nie gelungen wäre, wären die Hausbewohner einig geblieben. Dem Tiere gab sie zu essen oder machte es durch Hunger zahm; den Menschen umhüllte sie mit den Wolken des Aberglaubens, diese für den Himmel erklärend; den Bürger schreckte sie. So regierte man jahrhundertelang die Menge nach Willkür, bloß weil jeder einzelne Mensch mit sich selbst zerfallen war. Da geschah es zu unserer Zeit, daß unter dem Dache jenes Hauses Feuer ausbrach und dessen Erdgeschoß durch Überschwemmungen litt. Die Zerstörung[en] des Gebäudes unten und oben nötigten nun das Tier und den Bürger, zum Menschen ihre Zuflucht zu nehmen, und seitdem wohnen sie zum Ärger der Bösen friedlich in einer Stube beisammen.
Mein Vetter, der auch ein Landedelmann war, doch in seiner Jugend studiert hatte, nahm mich nach meines Vaters Tode zu sich auf sein Landgut und erzog mich bis in mein sechzehntes Jahr. Ich habe die Worte nicht vergessen können, die er einmal zu seiner Gemahlin sagte, als sie ihn fragte, wie er es künftig mit meiner Erziehung wollte gehalten wissen. »Vormittags«, fing er an, »soll das Fräulein als ein Mann und nachmittags als eine Frau erzogen werden.« Meine Muhme hatte mich sehr lieb, zumal weil sie keine Tochter hatte, und sie sah es gar nicht gern, daß ich, wie ihre jungen Herren, die Sprachen und andere Pedantereien, wie sie zu reden pflegte, erlernen sollte. Sie hätte mich dieser Mühe gern überhoben; allein ihr Gemahl wollte nicht. »Fürchten Sie sich nicht«, sprach er zu ihr, »das Fräulein lernt gewiß nicht zuviel. Sie soll nur klug und gar nicht gelehrt werden. Reich ist sie nicht, also wird sie niemand als ein vernünftiger Mann nehmen. Und wenn sie diesem gefallen und das Leben leicht machen helfen soll, so muß sie klug, gesittet und geschickt werden.« Dieser rechtschaffene Mann hat keine Kosten an mir gesparet; und ich würde gewiß noch etliche Jahre eher vernünftig geworden sein, wenn seine Frau einige Jahre eher gestorben wäre. Sie hat mich zwar in Wirtschaftssachen gar nicht unwissend gelassen; allein sie setzte mir zu gleicher Zeit eine Liebe zu einer solchen Galanterie in den Kopf, bei der man sehr glücklich eine stolze Närrin werden kann.
Während ich schreibe, höre ich draußen das Meer. Denn mein Haus steht am Ufer. Und das Meer will über das Ufer, es brandet und braust wie im Märchen. Mit neuen und neuen Wellen. Immer wieder, immer wieder. Es rauscht und braust und brandet immer wieder eine Welle. Sie kommen aus der Ferne, wo der Horizont eine Linie ist. Gestern war ein Sturm. Ich hab oft hingesehen, aber kein Ende entdeckt.
Wer als ernsthafter Betrachter die Kunstausstellungen, die nach der Revolution von 1830 stattfanden, besucht hat, wird sich beim Anschauen der endlosen, ueberhaeuften Galerien kaum eines Gefuehls des Unbehagens und der Langeweile, vielleicht sogar der Trauer haben erwehren koennen. Seit 1830 gibt es keinen "Salon" mehr. Der Louvre ist ein zweites Mal erstuermt worden durch die Kuenstler; und sie haben es verstanden, sich dort zu behaupten. Die Zulassung zum "Salon" bedeutete ehemals fuer den kleinen Kreis, der in Frage kam, bereits eine hohe Auszeichnung, und ueber die bedeutendsten der etwa zweihundert Bilder, die ausgewaehlt worden, entspann sich beim Publikum und bei der Kritik ein leidenschaftlicher Widerstreit der Meinungen. Die Ueberfuelle der Gemaelde, vor die sich heute der Besucher gestellt sieht, erschoepft seine Aufmerksamkeit, und die Ausstellung wird geschlossen, bevor er aus der Menge das wenige Gute ausfindig gemacht hat. Statt eines Ritterspiels haben wir einen Volksjahrmarkt, statt eines kuenstlerischen Ereignisses ein lautes Warenhaus, statt sorgfaeltiger Auslesealles. Was ist die Folge? In der Menge verliert sich das Genie. Der Katalog ist zu einem dicken Buch angewachsen, in dem mancher Name auch dadurch nicht bekannter wird, dass zehn oder zwoelf ausgestellte Bilder dahinter aufgefuehrt sind. Unter allen aber am unbekanntesten ist vielleicht derjenige des Malers Pierre Grassou aus Fougeres, den man in der Kuenstlerwelt einfach Fougeres nennt.
Kinder, in ihrer Einfalt, fragen immer und immer: Warum? Der Verständige tut das nicht mehr; denn jedes Warum, das weiß er längst, ist nur der Zipfel eines Fadens, der in den dicken Knäuel der Unendlichkeit ausläuft, mit dem keiner recht fertig wird, er mag wickeln und haspeln, so viel er nur will.Vor Jahren freilich, als ich eben den kleinen Ausflug machte, von dem weiter unten berichtet wird, da dacht ich auch noch oft darüber nach, warum grad mir, einem so netten und vorzüglichen Menschen, das alles passieren mußte. Jetzt sitz ich da in sanfter Gelassenheit und flöte still vor mich hin, indem ich kurzweg annehme: Was im Kongreß aller Dinge beschlossen ist, das wird ja wohl auch zweckgemäß und heilsam sein.Mein Name ist Peter. Ich bin geboren anno dazumal, als man die Fräuleins Mamsellchen nannte und die Gänse noch Adelheid hießen, auf einem einsamen Bauerngehöft, gleich links von der Welt und dann rechts um die Ecke, nicht weit von der guten Stadt Geckelbeck, wo sie alles am besten wissen.Daselbst in der Nähe liegt auch der unergründliche Grummelsee, in dem bekanntlich der Muddebutz, der langgeschwänzte, sein tückisches Wesen treibt. Frau Paddeke, die alte zuverlässige Botenfrau, hat ihn selbst mal gesehn, wie er den Kopf aus dem Wasser steckte; und scharf und listig hat er sie angeschaut, mit der überlegenen Ruhe und Kaltblütigkeit eines vieltausendjährigen Satans.
Die ältere Bienendame, die der kleinen Biene Maja behilflich war, als sie zum Leben erwachte und aus ihrer Zelle schlüpfte, hieß Kassandra und hatte großes Ansehen im Stock. Es waren damals sehr aufgeregte Tage, weil im Volk der Bienen eine Empörung ausgebrochen war, die die Königin nicht unterdrücken konnte.Während die erfahrene Kassandra der kleinen Maja, deren Erlebnisse ich erzählen werde, die großen blanken Augen trocknete und ihr die zarten Flügel etwas in Ordnung zu bringen suchte, brummte der große Bienenstock bedrohlich, und die kleine Maja fand es sehr warm und sagte es ihrer Begleiterin.Kassandra sah sich besorgt um, aber sie antwortete der Kleinen nicht gleich. Sie wunderte sich darüber, daß das Kind schon so früh etwas auszusetzen fand, aber im Grunde war es richtig, die Wärme und das Gedränge waren beinahe unerträglich. Maja sah ununterbrochen Biene auf Biene an sich vorübereilen, das Geschiebe und die Eile waren so groß, daß zuweilen die eine über die andere fortkletterte und wieder andere sich wie zu Klumpen geballt vorüberwälzten.Einmal war die Königin in ihrer Nähe gewesen. Kassandra und Maja wurden etwas beiseitegedrängt, aber eine Drohne, ein freundlicher junger Bienenherr von gepflegtem Aussehen, war ihnen behilflich. Er nickte Maja zu und strich sich etwas erregt mit dem Vorderbein, das bei den Bienen als Arm und Hand gebraucht wird, über seine glänzenden Brusthaare.¿Das Unheil wird hereinbrechen¿, sagte er zu Kassandra. ¿Der Schwarm der Revolutionäre wird die Stadt verlassen. Sie haben schon eine neue Königin ausgerufen.¿Kassandra beachtete ihn fast gar nicht. Sie hatte sich nicht einmal für die Hilfe bedankt, und Maja empfand deutlich, daß die alte Dame recht unfreundlich gegen den jungen Herrn war. Sie wagte nicht recht zu fragen, die Eindrücke kamen alle so rasch hintereinander und drohten sie zu überwältigen. Die Erregung teilte sich ihr mit, und sie begann ein feines helles Summen.
Die Erzählung ist, fast ohne Ausnahme, das Werk der Heldinn selbst, und entstand folgendermaßen. Ein sehr achtungswürdiger Arzt, den sie über den fast hofnungslosen Zustand ihrer Gesundheit um Rath fragte, mochte durch seine lange Erfahrung belehrt worden seyn, daß bei gebildeteren empfänglicheren Menschen dem Körper nicht aufzuhelfen ist, wenn der Seele nicht zugleich auch freundlich die Hand geboten wird; und dazu glaubte er das Mittel gefunden zu haben, indem er ihr anrieth, die Geschichte ihrer Leiden und ihres Unglücks aufzuzeichnen. Da es ihrer Fantasie unmöglich war, sich von den schwarzen Bildern ihrer Vergangenheit zu trennen, so glaubte er solche wenigstens in gewisse Schranken bannen zu können, wenn sie mit dem Verstande zugleich angestrengt würde, aus ihren schwankenden Vorstellungen ein wirkliches und zusammenhängendes Ganzes zu bilden. Er glaubte vielleicht, daß Luise ihr Schicksal für erträglicher, ihre Wunden für weniger unheilbar ansehen würde, wenn sie sich selbst eine ungeheuchelte Rechenschaft, von allem was sie betroffen hätte, ablegte.
Mutig ragt auf roter Heide eine Fichte in die Höhe. Mutig und einsam! Kein Nordwind konnte ihre Äste bisher verbiegen oder zerbrechen. Die leicht sich wiegenden Zweige bilden sich ein, daß sie immer aufwärts gestreckt von würzigen Wohlgerüchen umspielt sein werden. Ja, genau so hoffnungssicher ist diese Fichte, wie junge Menschen, die noch nichts von Wintersnot und Lebensschicksalen erfuhren.Durch die sonnige Stille klingt leises Krähen. Vergebens versuchen die frohen Äste sich abwärts zu neigen; denn gerade neben ihrem Stamm erhebt sich ein Stimmchen. Vogelsang, Sturmgebraus oder menschliches Lachen und Weinen vermögen sie nicht mit Sicherheit zu unterscheiden.Über den Rand einer grob zusammengezimmerten Holzkiste, die hier verlassen stehen geblieben welches mag ihr früherer Inhalt gewesen sein? krallt sich ein rotes, winziges Fäustchen. Es kann nur einem Erdenbürger gehören, der noch nicht lange in der Welt Aufenthalt genommen hat.Kinderwagen kosten Geld, aber eine alte Holzkiste und starker Bindfaden sind leicht gefunden, und kleine Mädchen sind gern auch öfter mal Pferd oder Kutscher. AnnGret hat zuerst fein behutsam gezogen. Nur Trin und Dortchen hätten nicht kommen dürfen. Im Staube liegt die Leine.
Dies ist die dritte Auflage, die mein »Dingsda«-Büchlein erlebt. Sie mag bekunden, daß es im Laufe der Jahre seine Wirkung getan hat und daß es noch immer munter weiterlebt. Im stillen hat es gewirkt. Aber das entspricht seiner Art. Doch eindringlich. Schon oft wurde darauf aufmerksam gemacht, wie man an mehr als einer Stelle auch den Spuren seiner Einwirkung auf die Entwicklung unserer neuesten deutschen Novellistik seit zwanzig Jahren begegnen kann. Doch lieber als das ist mir der Umstand, daß es nach wie vor seine unmittelbar lebendige Wirkung auf den Leser übt. Daß es mit der Sonne, dem freundlichen Stilleben und Einleben in die schlichten Freuden, mit denen die Natur gütig unsere Herzen heilt, auch anderen wohltut; daß es im Laufe der Jahre immer neue Freunde gewonnen hat; abseits von all den anderen, lauteren, aber oft auch wohl vergänglicheren Erfolgen unseres literarischen Lebens ... Ich habe dieser neuen Auflage nichts hinzugetan und nichts genommen. Das Büchlein hatte damals eine ganz bestimmte Notwendigkeit seines Entstehens. Es ist ein aus sich selbst gewordenes Stück Leben und Seele. Das erfordert auch die Pietät seines »Schöpfers«. Da darf nichts verändert und beschnitten werden. Das ist in solchen Fällen nichts als Verschlimmbesserung ... Möge diese schöne Bücherei meine stille »Dingsda«-Welt von damals noch recht vielen Freunden ans Herz tragen! ... Weimar, Sommer 1912.
ch bin äußerst beschämt. ¿ Ja, Emilia, ich verdiene diesen stummen Vorwurf. ¿ Mein Betragen diesen Morgen, ist nicht zu rechtfertigen; ¿ zu entschuldigen höchstens. Verzeihen Sie meiner Schwachheit. Ich hätte Sie mit keinem Geständnisse beunruhigen sollen, von dem ich keinen Vorteil zu erwarten habe. Auch ward ich durch die sprachlose Bestürzung, mit der Sie es anhörten, oder vielmehr nicht anhörten, genugsam bestraft. ¿ Und könnt' ich schon diesen Zufall, der mir nochmals, ehe alle meine Hoffnung auf ewig verschwindet, ¿ mir nochmals das Glück Sie zu sehen und zu sprechen verschafft; könnt' ich schon diesen Zufall für den Wink eines günstigen Glückes erklären, ¿ für den wunderbarsten Aufschub meiner endlichen Verurteilung erklären, um nochmals um Gnade flehen zu dürfen: so will ich doch ¿ Beben Sie nicht, mein Fräulein ¿ einzig und allein von Ihrem Blicke abhangen. Kein Wort, kein Seufzer, soll Sie beleidigen. ¿ Nur kränke mich nicht Ihr Mißtrauen. Nur zweifeln Sie keinen Augenblick an der unumschränktesten Gewalt, die Sie über mich haben. Nur falle Ihnen nie bei, daß Sie eines andern Schutzes gegen mich bedürfen. ¿ Und nun kommen Sie, mein Fräulein, ¿ kommen Sie, wo Entzückungen auf Sie warten, die Sie mehr billigen. Er führt sie, nicht ohne Sträuben, ab. Folgen Sie uns, Marinelli. ¿
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