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Die Küstenlinie des südlichen Norwegen ist häufig unterbrochen. Daran sind die Berge und die Flüsse schuld. Das Gebirge läuft in Hügel und Landzungen aus, denen oft Inseln vorgelagert sind; die Ströme haben Täler gegraben und münden in Buchten.In solch einer Bucht, dem "Kroken", lag das Gehöft. Ursprünglich hieß der Hof Krokskog, woraus die dänischen Beamten in ihren Protokollen "Krogskov" machten; jetzt heißt er Krogskog. Die Besitzer nannten sich einstmals Kroken; Anders oder Hans Kroken, das waren die Hauptnamen. Später nannten sie sich Krogh, der General vom Geniekorps sogar von Krogh. Jetzt heißen sie recht und schlecht Krog.Alle Leute, die auf den kleinen Dampfern von oder nach der nahen Stadt hier vorbeikamen und an der Landungsbrücke unterhalb der Kapelle anlegten, wußten davon zu erzählen, wie behaglich und traulich geborgen Krogskog doch daläge.Die Berge am Horizont nahmen sich großartig aus; hier vorn aber waren sie niedriger. Zwischen zwei vorspringenden, bewaldeten, langgestreckten Hügelrücken lag der Hof. So dicht drängten sich die Häuser an die Anhöhe zur Rechten, daß es den Dampferpassagieren vorkam, als könne man vom Dach des Hauses auf den Hügel hinüberspringen; der Westwind fand hier keinen Einlaß; wie beim Versteckspiel konnte man zu ihm sagen: "Ein Haus weiter!" Das gleiche konnte man auch zum Nord- und Ostwind sagen. Einzig der Sturm von Süden her kam zu Gast, aber auch nur in aller Bescheidenheit. Die Inseln, eine große und zwei kleine, hielten ihn auf und stutzten ihn zurecht, bis sie ihn weiterziehen ließen. Die hohen Bäume vor dem Hause wiegten nur gerade rhythmisch ihre höchsten Wipfel; die Haltung verloren sie nicht.
Freie Gegend. Im Hintergrunde das Meer, dessen flaches Ufer sich gegen die linke Seite zu in felsichten Abstufungen emporhebt. Hart am Ufer ein Altar der Aphrodite. Rechts im Vorgrunde der Eingang einer Grotte mit Gestraeuch und Eppich umwachsen; weiter zurueck das Ende eines Saeulenganges mit Stufen, zu Sapphos Wohnung fuehrend. Auf der linken Seite des Vorgrundes ein hohes Rosengebuesch mit einer Rasenbank davor.
Thomas Whaley war das, was man im England des achtzehnten Jahrhunderts einen Buck nannte, und er trieb diese Tätigkeit mit solchem Erfolg und in solcher hoher Vollendung, dass er bis auf den heutigen Tag schlechtweg Buck Whaley heisst, wenn man ihn nicht nach seinem auffallendsten Abenteuer den Jerusalem Whaley nennt. Ein Buck aber war ein junger Mann der besseren Stände, der sein oder seiner Gläubiger Geld auf extravagante Weise ausgab und mehr auf einen überraschenden, als auf einen moralischen Lebenswandel bedacht war. Ein Buck war der junge Mann, der zur Leichenfeier seines Vaters aus den Fontänen seines Schlosses Tinte laufen liess. Ein Buck war der andere junge Herr, der in einem Wirtshaus einen Kellner totschlug und diese Sache einfach damit regelte, dass er den Toten mit fünfzig Pfund Sterling auf die Rechnung verlangte. Seiner Bucks wegen sah ganz Europa auf Dublin, das stolz auf sie war, so unleidlich diese Bravados auch oft den braven Bürgern dieser Stadt das Leben machten. Ein Buck war Thomas Whaley, nichts mehr und nichts weniger. Dass er über Zeiten seines Lebens Aufzeichnungen niedergeschrieben hat, die ein Zufall hundert Jahre nach seinem 1802 erfolgten Hingang zutag brachte, dies macht ihn nicht etwa zu einem Schriftsteller, so gut sein fragmentarisches Tagebuch auch geschrieben ist. Das Schreiben des Buck war ihm nicht irgend innere Not gewesen und auch nicht dilettantische Eitelkeit, sondern ihm von Umständen aufgezwungen, die ganz mit seinem eigentlichen Beruf, dem Buckisme, zusammenhingen. Seine Aufzeichnungen mussten ihm als Beweis für eine gewonnene Wette dienen, die ihn über Dublin hinaus berühmt gemacht hat und der wir die Kenntnis eines solchen Heldenlebens verdanken.
Pimpernellche war nur ihr Schmeichelname, der Vater hatte sie so getauft und niemand nannte sie mehr anders; eigentlich hieß sie Nelly, Nelly Heß und war ein kleines, altgescheites, naseweises, phantastisches und dabei doch überaus schüchternes Persönchen, für das der Name nicht schlecht paßte. Er kam nicht etwa daher, daß sich Nelly viel im Garten herumgetrieben hätte, wo das wohlschmeckende Kräutlein Pimpinell neben den anderen Salatkräutern gedieh, dem feinblättrigen Estragon und dem rauhen Borasch, er gefiel eben dem Vater und war gar nicht verwunderlich, wenn man das Kind kannte. Es war etwas Erfahrenes, Überlegtes in seinem Wesen, das sich sehr gut durch das »Pimper« ausdrückte, und wieder etwas Weiches, Ratloses, dem das »Nellche« entsprach. Stirn und Nase sahen ganz resolut aus, letztere ein keckes Stumpfnäschen, aber Kinn und Mund zerflossen hilflos. Ganz gewiß keine Schönheit, das kleine Pimpernellche, und doch unter den Vieren Vaters Liebling, die Älteste, die Vernünftigste, und in seinen Augen auch die Liebenswerteste.Nein, vom Garten kam der Schmeichelname nicht, den sah Pimpernellche selten genug; sie hatte sich schon früh gewöhnen müssen, der Mutter die meisten Pflichten abzunehmen. Diese saß die meiste Zeit im Lehnstuhl, durch eine Krankheit am Gehen verhindert, die ihr selbst als kein großes Kreuz erschien, weil sie ihr erlaubte, still zu sitzen, die Arme bequem auf die Lehnen zu legen und zuzuschauen, wie andere arbeiteten. Und es bekam ihr sichtlich, so zu leben, ihr Teint und ihre Hände, die sie sehr liebte, blieben blütenweiß, und ihr Körper wurde schön rundlich, was immer die Sehnsucht ihrer mageren Mädchenjahre gewesen war.
SEKRETÄR AHLDEN schreibt. So! Er legt die Feder nieder. Damit mag es genug sein. Er steht auf. Ich weiß in der Sache nichts mehr zu sagen. Sieht die Schrift durch. Ja, das ist genug, wenn man die Wahrheit hören will, und wollte man sie nicht hören: so wäre auch das zu viel. Gut gearbeitet ein heit'rer Morgen das gibt Muth! Es bleibt dabei, heute breche ich die Bahn. Der alte Ruhberg ist ein gerader Mann ihm sage ich geradezu, was mir am Herzen liegt. Mein Vater ist heftig, aber er ist gut: also ohne Sorgen und Aengstlichkeit gerade zur Sache!
Zum GeleitAls ich am 25. Juli 1916 morgens gegen halb acht Uhr erwachte, schloß ich sogleich geblendet die Augen.Woher kam diese Helle? So viel Licht gab es doch in unserem Unterstand nicht?Ich öffnete die Augen abermals, ja, zum Kuckuck, wo war ich denn eigentlich?Ich lag in einem frischgemachten, blütenweißen Bett, in einem großen, hellen Saal, ringsum Betten, ebenso blitzsauber wie das meine.Du bist im Lazarett, sagte ich mir, aber mein Kopf brummte noch zu sehr von der Narkose, um diesen Gedanken voll zu erfassen.Ja, ich war im Feldlazarett, und ich hatte eine Granatsplitterverletzung im Rücken und ein zerschossenes rechtes Ellbogengelenk.Einige Tage später brachte mir unser vortrefflicher Leutnant Lindenberger etliche Gegenstände ins Feldlazarett, die in unserem zusammengeschossenen Unterstand gefunden und als mein Eigentum erkannt worden waren. Darunter auch ein Manuskript, durch das mitten hindurch ein Granatsplitter geflogen war.Trotz meiner Schmerzen mußte ich lächeln.Armer Benno Stehkragen, dachte ich amüsiert, dir ist es im Leben kümmerlich genug gegangen, und jetzt wird auch noch die Aufzeichnung deiner Lebensgeschichte von einem Granatsplitter durchbohrt!
Da ich vielleicht Euch vielen Kummer gemacht habe, wie ich hoffe, hoffe ich nun, da die Sache so gar einen glorreichen Ausgang genommen, Euch gewiß viele Freude zu machen! Man kann Abends noch vor Schlafengehn auf dem Stiefelknechte das Bein brechen; und Ich bin um die Welt gereiset, und mir hat kein Zahn wehgethan, kein Haar ist mit gekrümmt worden! Die guten Menschen die, welche alle da rund umherwohnen, lieben, leben und sterben, Gott segne sie! Ich habe nur lauter gute Menschen gefunden! Nicht einmal eine Nachtmütze hab¿ ich verloren ich hatte leider meine beste und einzige zu Hause gelassen nur meine schwarzseidenen Strümpfe hat mir eine Art von geistlichen Herren gestohlen. Ach nein, nein, nicht gestohlen! ich habe sie ihm im Herzen viel zwanzigmal geschenkt, als ich sie an meiner Wiederherstellung des Zwickels erkannte; der arme Mann bedurfte ihrer zu seiner Amtskleidung, und sie mögen ihm seine magern Beine, die ihm der Herr stärken wolle, warm halten, wo er geht und steht. Ich bin so freudenvoll, daß ich es Euch gar nicht sagen kann! Ich habe ein Großes überstanden. Wenn nur meine Mutter noch lebte, oder mein Vater, oder nur der Großvater! Gott segne ihn! Wie würde es ihm die Seele laben, wenn er meine Geschichte unter seinen Sixpence-Büchlein mit im Lande umher tragen könnte! Gewinn würde er freilich wenig davon haben, er schenkte gewiß mir zur Liebe alle Exemplare weg und sagte: leset nur Leute! das hat mein Sohn gethan! Er war einmal so; wie manchem armen Kinde hat er ein schönes Lied, ein Paar Ohrringe geschenkt, die es ansah, die Hände auf dem Rücken, mit sehnsüchtigen Augen, und sich bescheidendem Lächeln, wie uns armen Leuten eigen ist. Wenn ich nun auch von mir mit rede, sollte ich hier eigentlich das Imperfectum setzen: eigen war! Aber Gott erhalte mir die Bescheidenheit, sie steht einem Reichen viel schöner, als einem Armen; denn das soll mir Niemand sagen, daß dieselben Sachen immer dieselben sind. Es kommt gar viel darauf an, wer Etwas hat: ob der Jude die Perle im Schubsacke trägt, oder die Königin in der Krone; ob Belisarius Bettelbrot ißt, oder ein geborner Bettler, wollt¿ ich sagen: ein gebornes Bettlerkind, nein doch! und kurzweg: ein Bettlerkind oder Bettler. Ich muß mich nämlich jetzt meiner Würde nach, an richtiges Schreiben, oder besser: richtiges Denken gewöhnen, und die Reise hat mir wirklich die Gedanken aufgeräumt. Freunde, wenn ich Euch sagen soll, ich habe viele Gedanken gar nicht mehr; ich habe Bilder, Wahrheiten dafür; ach, und nun thun mir oft wieder die vielen falschen, aber so schönen alten Einbildungen leid!
Weh dem, der lügt! ist der Titel eines Lustspiels von Franz Grillparzer, das am 6. März 1838 im Wiener Burgtheater uraufgeführt wurde. Grillparzer entnahm den Stoff der Historia Francorum von Gregor von Tours. Das Stück löste nach der Aufführung einen Skandal aus, der Grillparzer bewog, sich von der Öffentlichkeit zurückzuziehen. Von der Nachwelt wird Weh dem, der lügt! jedoch als eines der klassischen deutschen Lustspiele angesehen. In gedruckter Ausgabe erschien das Stück im Jahre 1840.Bei Weh dem, der lügt handelt es sich um ein Lustspiel, welches in der Zeit der Merowinger spielt. Die komische Handlung basiert auf dem Versprechen des Küchenjungen Leon, die Rettung des von den Germanen gefangenen Neffen des Bischofs Gregor von Chalons durchzuführen, ohne ein einziges Mal zu lügen. Es erinnert an die Ausstrahlung des österreichischen Volkstheaters und an die Tradition des Barock. Das Stück wurde zuerst falsch verstanden, weil Leon sagen darf, was er will. Durch seine kecke Art wird er nicht ernst genommen, auch wenn er die Wahrheit spricht. Wie der Großteil der Dramen Grillparzers ist auch Weh dem, der lügt! in fünffüßigen Jamben geschrieben.
Zwischen den vier Wänden des Dresdener Museums, welche die Sixtinische Madonna umschließen, ging es lebhaft zu. Die langen Bänke an den Wänden waren dicht besetzt von Andächtigen, welche ein Stündchen lang diese geweihte Luft atmen wollten. Deutlich sah man ihnen eine allerheiligste Gegenwart an, welche sie befangen machte. Etliche waren geradezu verwirrt, wenigstens nach den seltsamen Reden zu schließen, die sie führten, so lange nicht ein allgemeines »Pst« sie wieder zum Schweigen brachte. Aber schon ihre Andacht selbst äußerte sich in der verschiedensten Weise. An der Ecke, der Thür zunächst, saß schon seit drei Viertelstunden ein beleibter Herr in hellgrauem Sommeranzug von eleganter Knappheit, dessen Nähte an mehreren Stellen, namentlich an den Achseln und der Innenseite der Beinkleider, zolllang geplatzt waren. Er schlief ruhig und schnarchte nur zuweilen leise auf.
Die größeren dieser Eilande sind teils durch Deiche (künstliche Seedämme), teils durch Dünen (natürliche Höhen von Meersand) vor den Wogen geschützt, die, täglich mit Flut und Ebbe kommend und gehend, immer neue Versuche zu machen scheinen, die letzten Brocken ihres großen Raubes in den gierigen Schlund des Meeres hinunterzuziehen. Bei der Ebbe geht die See so weit zurück, daß ein meilenweiter Schlickgrund bloßgelegt wird, der noch in kräuselnden Zügen das Bild der Wogen darstellt, die ihn vor wenigen Stunden überfluteten. Einzelne Rinnen und andere Senkungen werden aber auch dann nicht wasserleer, und besonders winden sich für jene Zeit sichtbar rings um die Inseln die, mit einander und dem zurückgewichenen Ocean zusammenhängenden, sogenannten Tiefen, gleichsam Schlangenarme, mit denen der eine Zeit lang an andern Gestaden kämpfende Riese die nie vergessene Beute umschlungen hält, daß sie nicht einen Augenblick der Hoffnung sich überlasse, von ihm aufgegeben zu sein.
Ein poetisches Werk muß sich selbst rechtfertigen, und wo die Tat nicht spricht, da wird das Wort nicht viel helfen. Man könnte es also gar wohl dem Chor überlassen, sein eigener Sprecher zu sein, wenn er nur erst selbst auf die gehörige Art zur Darstellung gebracht wäre. Aber das tragische Dichterwerk wird erst durch die theatralische Vorstellung zu einem Ganzen; nur die Worte gibt der Dichter, Musik und Tanz müssen hinzukommen, sie zu beleben. So lange also dem Chor diese sinnlich mächtige Begleitung fehlt, so lange wird er in der Ökonomie des Trauerspiels als ein Außending, als ein fremdartiger Körper und als ein Aufenthalt erscheinen, der nur den Gang der Handlung unterbricht, der die Täuschung stört, der den Zuschauer erkältet. Um dem Chor sein Recht anzutun, muß man sich also von der wirklichen Bühne auf eine m ö g l i c h e versetzen, aber das muß man überall, wo man zu etwas Höherm gelangen will. Was die Kunst noch nicht hat, das soll sie erwerben; der zufällige Mangel an Hilfsmitteln darf die schaffende Einbildungskraft des Dichters nicht beschränken. Das Würdigste setzt er sich zum Ziel, einem Ideale strebt er nach, die ausübende Kunst mag sich nach den Umständen bequemen.
Das Inselmeer von Stockholm, die »Schären«, aus welcher Gegend ich Scenerien und Motive für dieses Buch geholt habe, hat immer eine besondere Anziehungskraft auf mich ausgeübt. Vielleicht weil meine engere Heimat, Stockholm und Umgebung, selbst einen Teil dieser Schären bildet. Der Mälar war ja ursprünglich ein Meeresarm, der durch die Wasserläufe bei Södra Telje und Stocksund bei Stockholm in Verbindung mit dem Meere stand; die Kettenschäre, der jetzige Ritterholm, erinnerte ja durch ihren Namen an ihre älteste Natur, die einer Schäre; wie man noch bei einer Fahrt durch den Mälar mit seinen Tausenden von Inseln und Holmen an die Landschaft erinnert wird, die, eine Mischung von Land und Wasser, östlich von der schwedischen Hauptstadt sich etwa sieben Meilen ins Meer hinaus erstreckt.Dieser ganze zerrissene Küstenstrich ruht zum allergrößten Teil auf der Urformation: Gneis, Granit und Eisenerzen; von den letzten hat man nur die von Utö reich genug gefunden, um sie zu bearbeiten. Die Granitvarietät Pegmatit tritt zuweilen in so großen Mengen aus, daß sie des Feldspats wegen gewonnen wird, den die Porzellanfabriken benutzen.Die Abwesenheit der jüngeren Formationen, mit ihren horizontalen Lagerungen in hellen, leichten Farbentönen, verleiht der Schärenlandschaft diesen Zug von Wildheit und Düsterkeit, der die Urformation begleitet. Die Landschaftskontur wird durch die losgerissenen, rohen, unregelmäßigen Blöcke kamm- und wogenförmig auf den Höhen; flach, höckerig, holperig, wo das Meer seine Schleifarbeit ausgeführt hat. Die partielle Schieferhaltigkeit des Gneises setzt auch die Strandklippen so der Sprengarbeit des Eises aus, daß Grotten, Höhlungen und tiefe Spalten das Wilde des Landschaftscharakters steigern; der wird dadurch niemals einförmig wie die Kalk- oder Sandsteinfalaises der französischen Nordküste.
Keiner wußte besser Bescheid um alle Arten dieser geheimen Gedanken, als Frau Anna Bomberling, geborene Kolpe. Sie, die seit einundzwanzig Jahren die bessere Hälfte eines Sargfabrikanten war und den blühenden Beruf ihres Gatten doch noch nicht liebgewonnen hatte. Trotzdem er es verdient hätte. Denn sie verdankte ihm eine Lebensweise, die weit alle Mädchenträume übertraf, die sie einstmals in des Vaters Schmiede gesponnen hatte, wenn die Funken stoben und die um sich schlagenden Pferde der Fuhrleute neue Hufeisen bekamen. Sie hatte heute nicht nur einen echten Hasenpelz, wie damals die junge Frau Amtmann, sondern wärmte sich mit Zobel und Chinchilla. Sie hatte nicht nur einen schönen Sohn, ihr Hermann war sogar Student und verkehrte nur mit den feinsten Leuten. Sie hatte nicht nur ein süßes Mädchen mit blonden Locken und blauen Schleifchen darin, ihre Babette war sogar so fein, zierlich und vornehm, daß der Vater ihr sicher befohlen hätte, die Schmiede dreimal auszufegen, ehe ein solches Fräulein über die Schwelle treten durfte. Sie hatte einen guten, zärtlichen Mann, der den ganzen Tag über nicht zu Haus war. Und doch war sie nicht glücklich. Denn auch Gewohnheit macht es nicht schöner, wenn man immer wieder bemerken muß, daß jeder Bekannte an etwas Unangenehmes erinnert wird, sobald er einen erblickt. Es bleibt kränkend, daß Fremde, wenn sie herausgefühlt haben, wer man ist, zusammenzucken, wie wenn sie sich an einer unsichtbaren Nadel gestochen hätten.
¿Onkel Heinz, Onkel Heinz,¿ schallte es von hellen Kinderstimmen durcheinander, und ein Junge im Alter von zehn Jahren, nebst zwei kleinen Mädchen von acht und sieben Jahren, liefen einem Herrn entgegen, der die Tür zum Kinderzimmer in Gontraus Hause geöffnet hatte und hineinschaute. Sogleich wurde er von den dreien mit hellem Jubel umringt, der eine zerrte ihn hierhin, der andre dorthin; lachend versuchte er die Ungestümen abzuwehren, aber da klammerten sie sich noch fester an ihn, und er kam nicht los.¿Wollt ihr mich wohl loslassen, ihr Trabanten,¿ rief er endlich; ¿wartet, ihr Kröten, ich werde euch kommen!¿Und er griff nach seinem Stocke. Da flogen sie kreischend auseinander; der Junge aber und das älteste der beiden Mädchen, ein dunkellockiges Kind mit blitzenden, braunen Augen, warfen sich an die Erde und nun begann ein Raufen und Balgen, daß sie wie ein Knäuel umherkollerten.¿Aber Ruth, schäme dich, gleich stehst du auf!¿ gebot Ilse, welche in diesem Augenblicke mit Nellie ebenfalls hereingekommen war, und reichte dann Onkel Heinz die Hand, der inzwischen die kleine, blonde Marianne emporgehoben hatte, welche ihre Ärmchen fest um seinen Hals schlang. Ruth aber, Gontraus wilde Älteste und ihr Freund Fritz, Rosis Junge, hatten sich hinter seinen Rücken geschlichen, ihn zupfend und neckend, und wenn er sich umdrehte und sie fortjagen wollte, liefen sie mit lautem Geschrei zurück. Das war ein Hauptspaß.
An dem Porzellanschild einer kleinen Parterrewohnung, in einem regen Geschäftsviertel der Stadt, war das Wörtchen »von« mit schwarzer Tinte so kräftig nachgezogen, daß der Name Feldern daneben sich beinahe unansehnlich ausnahm. Dies und der Umstand, daß Frau von Feldern auch beim Sprechen ihr »von« über alles Maß zu betonen pflegte, hatte der Familie die überaus kurze, aber vollwichtige Benennung »Vons« eingetragen. Man lächelte in der Nachbarschaft, wenn das Paar miteinander über die Straße ging; sie immer in schwarzer Seide, schlank und hager, mit Augen, die eigentlich sehr lebhaft waren, denen sie aber einen blasiert vornehmen Ausdruck zu geben bemüht war. Auch Herr von Feldern war schlank, er ging immer in Grau, trug einen schön gepflegten Backenbart und weiße glänzende Manschetten bis vor auf die Fingerspitzen, Dies war seine Haupteigentümlichkeit; im übrigen war er die Harmlosigkeit selbst und hatte nur ein einzigesmal in seinem Leben ausgeschlagen ¿ damals, als er mit neunzehn Jahren als junger Fähnrich urplötzlich selbständig im Leben stand.
BACULUS. Du hast deine liebe Sippschaft eingeladen, du willst hoch traktieren und meintest, ohne Wildbraten wäre der Schmaus nicht vornehm genug GRETCHEN. Nun ja, wofür heirate ich Ihn denn? Ich bin genug verspottet worden. Das junge hübsche Gretchen, sagten die Leute, und der alte häßliche Schulmeister BACULUS. Nu, nu GRETCHEN. Ich dachte, spottet ihr nur! Kann ich nur erst recht traktieren, so stimmt ihr ein andres Liedchen an, und ist vollends ein Rehbraten dabei, so platzt ihr alle vor Neid. BACULUS. Nun bin ich denn auf dein Begehren in der Dämmerung hinausgeschlichen und habe im Tiergarten des Herrn einen feisten Rehbock geschossen. GRETCHEN. Und ist dumm gewesen und hat sich ertappen lassen! BACULUS. Rede nicht so einfältig; ich bin ja doch kein Wilddieb von Profession, du hättest mich sollen stehen sehen mit dem Mordgewehr in der Hand. Siehst du, so stand ich da und überlegte, ob ich losdrücken sollte oder nicht; und das gute Tier, soviel ich in der Dämmerung erkennen konnte, stand so ruhig da, als ob es fragen wollte: »Ist das Nächstenliebe?« Bauz, da ging der Schuß los, und gleich darauf ich auch, weil ich jemand kommen hörte; am Ende des Tiergartens wurde ich erwischt, und ich glaubte bis jetzt noch gut weggekommen zu sein, daß ich nur die Flinte eingebüßt hatte.
Thomas war in einem großen, alten Hause geboren, das zurückgezogen und ernst in einer breiten Ecke des Marktes lag, im Mittelpunkt der Stadt. Es hatte weniger Stockwerke und viel höhere Fenster als die Nachbarhäuser, die es hart begrenzten. Hinter dem sonneverbrannten braunen Torbogen lag ein kühler, hoher Flur, dessen Decke zwei wuchtige weiße Säulen stützten; eine weite Treppe mit sehr niedrigen Stufen führte empor bis zur ersten Plattform, bis zu dem quadratisch geschnittenen, riesigen weißen Schiebefenster, gegen das die leuchtenden Blätter der Fliederbäume klopften: Da lag ein weiter Garten mit alten Bäumen und wilden Rasenflächen, und ein tiefer Hof, überschattet von dem hohen Grün des Gartens, und stumm und alt schaute die lange Fensterreihe einer ungeahnten Seitenfront des Hauses auf ihn nieder. Wo sie endete, war ungewiß. Es war auch ungewiß, was auf der anderen Seite des Gartens lag. Thomas wußte es, seitdem er sich einmal durch die dichte hohe Buschmauer bis an den schwärzlichen Lattenzaun hindrängte: Da sah er tief unter sich ein schmales, dunkles Wasser ziehen, dahinter kauerten verbaute kleine Häuser. ¿ In seine Tiefe hinein nahm der Garten endlich jählings ein Ende: Es legte sich eine rauhe, breite, fensterlose Wand davor, an der in großen Abständen auf dicken schwarzen Holzplatten schwere eiserne, verrostete Ringe hingen, unbeweglich, ein Jahr wie das andere. Die Wand mußte wohl zu einem Gebäude gehören, denn es lag ein düsteres, schräges Dach darüber, in dessen einziger Luke einmal ein rohes Gesicht erschien, und eine Hand dazu. Dies Erlebnis verschwieg Thomas selbst seiner Mutter. Aber unbeweglich, ein Jahr wie das andere, sah alles wieder herab, und er vergaß sein Mißtrauen. Zuweilen aber, ohne daß er selbst es wußte, kehrte er sich von dieser Mauer ab und schritt dem entgegenliegenden Ende des Gartens zu: Durch die Stämme hindurch nahte sich die weite Steinhalle zu ebener Erde, mehr und mehr hob sich der grüne Blättervorhang, es erschienen die großen grauen Fensterbogen, die Pilaster wuchsen höher und höher, bis sie in reichem, schwerem Kapitell unter dem Giebel endeten, und aus seiner düsteren Miene grüßte das altvertraute, verblaßte Wappenschild herab.
In früher Morgenstunde verließ ich die Stadt Korfu und wanderte hinaus in das von allen Göttern gesegnete, glanzumflossene Land; es war schon Sommer, und bald wurde die Hitze übergewaltig, mühsam wand ich mich seitwärts vom sonnigen Wege durch den Schatten der prachtvollen Oelwälder, deren Gleichen der Süden nicht wieder trägt, und gegen die Mittagsstunde machte ich völlige Rast bei einem Dorfe, an einer unter Reisenden berühmten Stelle, am Brunnen von Gasturi. Eine mächtige Platane, ein bewunderter Baum, breitet seine Aeste reichschattend über den Platz, wo das Wasser sprudelt, und weit dehnt sich hinter der offenen Schlucht, die ein Theil des Dorfes und Orangengärten füllen, das hügelige Land bis zu den kahlen Bergen, die den Blick mit kühnen und feinen Linien begrenzen. Hier warf ich mich nieder ins hohe Gras und träumte in die Landschaft hinaus. Die Sonne stand gerade über der Platane, die mich schützte, aber draußen wogte und zitterte die glühende Luft, und wie ein lebendiger Schleier wallte es weich über den mattgrünen Wäldern und über den grauen, in das Grün begrabenen Dörfern auf den Höhen; und dieser Schleier war aus Gold gewirkt, unendliche Ströme von Licht flutheten über die Erde, und dennoch standen Berge und Wald wie in dämmerndem Dunst verschwimmend vor den Augen, fast als läge Mondschein darüber. Es war so stumm im Lande wie in einsamer Mitternacht, gnädige Ruhe deckte das Leben, nicht Mensch noch Thier regte sich vor den Häusern, keines Vogels Ruf klang aus dem unbewegten Laub in das feierliche Schweigen. Mir schien, als flüsterten manchmal fast unhörbar warnend die leisen Meereslüfte den Blättern zu, wie sie vor Jahrtausenden zu dieser Stunde gethan: »Der große Pan schläft!«
Weib, gib mir Deckel, Spieß und Mantel, Der Dienst geht los, ich muß hinaus. Noch einen Schluck ... Adies Mariandel! Ich hüt' die Stadt, hüt' du das Haus! Nun schrei' ich wieder wie besessen, Was sie nicht zu verstehen wagen Und was sie alle Tag vergessen: Uht! Hört, Ihr Herrn, und laßt Euch sagen! Schnarcht ruhig fort in Euren Nestern Und habt auf mein Gekreisch nicht acht! Die Welt ist akkurat wie gestern, Die Nacht so schwarz wie alle Nacht. Auch welche Zeit, will Niemand wissen, 's gibt keine Zeit in unsren Tagen, Duckt Euch nur in die warmen Kissen, Die Glocke die hat nichts geschlagen!
Die Ewigkeit verwirfft die Eitelkeit der Welt; vnd zeiget durch was Mittel die vnvergängliche Ehre zu erlangen. Demetrius vnd Procopius / welche in heimblichen Verstande mit der Königin Statt-Jungfer / werden durch selbte zu der Königin / durch die von zugerichtetem Weine eingeschläffete Wache geführet; entdecken selbiger den Zustand Georgiens / vnd versichern Sie gewisser Erledigung. Solche Unterhandelung wird gestöret durch unverhoffte Ankunfft deß Persischen Königes / welcher vmbsonst / der Königin Keuschheit zugesetzet. Das Gefangene Frauenzimmer beschleust / vnd beklaget mit einem Trauer-lide / deß Vaterlandes Vntergang.Chach Abas beklaget sich daß seine Liebe sonder Frucht. Wird abgefordert zu der Abschieds Verhör deß Gesandten auß Reussen / welcher in selbter den König vmb Erledigung der Catharine belanget / die jhm zwar versprochen / Chach Abas aber beklaget bald nach abtritt deß Gesandten / daß er zu vnbedachtsam in ihre Freyheit gewilliget. Die Abhandelung wird geschlossen von den Reyen der von Chach Abas ermordeten Fürsten.
Ich übergebe Euch hier eine Jugendschrift mit dem Wunsche, daß sie Euch willkommen seyn möge. Gleichwohl geschieht es mit einiger Verzagtheit, gleich dem Wanderer, der sicher nicht mit zuversichtlicher Ruhe einen Weg gehet, auf dem er so viele irre gegangen weiß, die vor ihm diese Strasse gewandelt. Möge ich wenigstens von der richtigen Strasse nicht zu ferne seyn, wie die Meisten, die sich mit der Jugendschriftstellerey befassen. Was man gewöhnlich gegen Kindermährchen sagt und sagen kann ¿ ich weiß es schon. Aber dennoch steht meine Ueberzeugung fest, daß die Jugend Mährchen haben m u ß . Mährchen-Poesie ist möchte ich sagen, die Poesie der Kindheit des poetischen Lebensalters. Das Interesse, das Kinder daran nehmen, ist mein Beweis dafür. Und ich möchte behaupten, daß ein Mährchen von dem Aschenpittchen, dem Lebkuchenhäuschen, dem Schneewittchen u.d. gl. eben so gut (wo nicht besser) in eine gute Erziehung eingreifet, als die hundert und aber hundert geglätteten Erzählungen von dem e i t e l n J u l c h e n , dem w i l d e n L o r c h e n , dem l e i c h t s i n n i g e n K a r l , dem g u t h e r z i g e n L o t t c h e n , und wie sie sonst betitelt seyn mögen.
¿Bimmelimbim, hollahe, ich bin da!¿ so rief unverdrossen ein Mann, der vor einem kleinen, mit einem roten Vorhang verhüllten Kasperletheater stand. Das Budchen befand sich auf einem großen Platz, auf dem es noch viele andere Buden gab, denn in dem Städtchen Wutzelheim war Schützenfest; dazu waren Karussellmänner und Schaubudenleute von weither gekommen. Um das Kasperlebudchen herum drängten sich die Kinder. Es sollte, so wurde gesagt, ein besonders lustiges Kasperle sein, das da spielte, und das Zusehen war billig. Für einen Pfennig konnte man lange stehen, und manchmal konnte man sogar ausreißen, ohne den Pfennig zu bezahlen. Aber das taten nur wenige, die meisten gaben gewichtig ihren Pfennig hin, man mußte doch Kasperle belohnen. Immer wieder tönte das Bimmelimbim des Budenbesitzers, immer mehr Kinder liefen herzu. Endlich ging der rote Vorhang auf, und Kasperle steckte seine große, große Nase heraus und fragte: ¿Seid ihr alle da?¿ ¿Ja!¿ scholl es im Chor. ¿Hm!¿ Kasperle seufzte, schwang ein Beinchen über die Brüstung und fragte trübselig: ¿Ihr denkt nun wohl, ich werde kaspern?¿ ¿Ja,¿ schrien die Kinder, und ein paar Ungeduldige drängten: ¿Fang doch an, sonst müssen wir zum Abendbrot nach Hause!¿ Es war aber erst drei Uhr nachmittags, und das Kasperle lachte etwas. ¿Abwarten und Tee trinken!¿ rief es. ¿Erst muß ich euch eine Geschichte erzählen. Wollt ihr sie wissen?¿ ¿Ja, ja,¿ ertönte es von unten herauf.
Sollt' Anakreon itzt sterben, Und wir wären seine Erben: Gleim, der zweit' Anakreon, Trüge seine Leyer billig Vor uns übrigen davon. Seine Gabe zum Beneiden: Lebensweisheit einzukleiden In der Spiele leichte Tracht, Hat zu seinem Eigenthume Lichtwehr schon vorlängst gemacht. Seine Kunst, vergnügt zu scherzen, Aller Frauenzimmer-Herzen Sichre Ueberwinderin! Nähme wohl mit Fug und Rechte Unser Freund Jacobi hin! Sein geheimes Schmachten, Sehnen Und Frohlocken, erst der Schönen Hartes Herz, durch Amors Pfeil Zu verwunden, dann zu heilen, Würde dir, o Schmidt! zu Theil. Wein verließ er nicht, der Zecher! Aber seine Kränz' und Becher, Und den sorgenlosen Sinn Ihres vorigen Besitzers, Nähmest du, Michälis! hin. Alles wollt' ich gern Euch gönnen, Möcht' ich Eins nur erben können: ¿ Seine Taube wünscht' ich mir! Ach! mich liebt ein holdes Mädchen, Aber weit ist sie von hier. Und das Mädchen liebt die Tauben, Aber diese, sollt' ich glauben, Liebte sie vor allen wohl, Wenn sie käme, beide Krallen Von des Senders Briefen voll!
Drei Bauern kamen eine Herbstnacht oder vielmehr früh, als es mehr gegen den Morgen ging, von einer Hochzeit aus dem Kirchdorf Lancken geritten. Sie waren Nachbarn, die in einem Dorfe wohnten, und ritten des Weges miteinander nach Hause. Als sie nun aus einem Walde kamen, sahen sie an einem kleinen Busche auf dem Felde ein großes Feuer, das bald wie ein glühender Herd voll Kohlen glimmte, bald wieder in hellen Flammen aufloderte. Sie hielten still und verwunderten sich, was das sein möge, und meinten endlich, es seien wohl Hirten und Schäfer, die es gegen die Nachtkälte angezündet hätten. Da fiel ihnen aber wieder ein, daß es am Schlusse Novembers war, und daß in dieser Jahreszeit keine Hirten und Schäfer im Felde zu sein pflegen. Da sprach der jüngste von den dreien, ein frecher Gesell: "Nachbarn, hört! Da brennt unser Glück! Und seid still und lasset uns hinreiten und jeden seine Taschen mit Kohlen füllen; dann haben wir für all unser Leben genug und können den Grafen fragen, was er für sein Schloß haben will." Der älteste aber sprach: "Behüte Gott, daß ich in dieser späten Zeit aus dem Wege reiten sollte! Ich kenne den Reiter zu gut, der da ruft: Hoho! Hallo! Halt den Mittelweg!" Der zweite hatte auch keine Lust. Der jüngste aber ritt hin, und was sein Pferd auch schnob und sich wehrte und bäumte, er brachte es an das Feuer, sprang ab und füllte sich die Taschen mit Kohlen. Die andern beiden hatte die Angst ergriffen, und sie waren im sausenden Galopp davongejagt, und er ließ sie auch ausreißen und holte sie dicht vor Vilmnitz wieder ein. Sie ritten nun noch ein Stündchen miteinander und kamen schweigend in ihrem Dorfe an, und keiner konnte ein Wort sprechen. Die Pferde waren aber schneeweiß von Schaum, so hatten sie sich abgelaufen und abgeängstigt. Dem Bauer war auch ungefähr so zumute gewesen, als habe der Feind ihn schon beim Schopf erfaßt gehabt. Es brach der helle, lichte Morgen an, als sie zu Hause kamen. Sie wollten nun sehen, was jener gefangen habe, denn seine Taschen hingen ihm schwer genug hinab, so schwer, als seien sie voll der gewichtigsten Dukaten. Er langte hinein, aber au weh! er brachte nichts als tote Mäuse an den Tag. Die andern beiden Bauern lachten und sprachen: "Da hast du deine ganze Teufelsbescherung! Die war der Angst wahrhaftig nicht wert!" Vor den Mäusen aber schauderten sie zusammen, versprachen ihrem Gesellen jedoch, keinem Menschen ein Sterbenswort von dem Abenteuer zu sagen.
Im Irenlande lebte vor langer Zeit ein König von wilder Sinnesart, Hagen mit Namen. Er lachte nur dazu, wenn man ihn »Walant« nannte, den Teufel unter den Königen. Er war stärker als andere Männer und von so hohem Wuchs, daß sein dunkler Scheitel sich über die lichten Häupter seiner Mannen erhob wie ein Dornbusch über Weizenfelder.Die fahrenden Spielleute sangen, Hagen Walants Wildheit stamme daher, daß er als Knabe von dem Vogel Greif geraubt worden sei und sich auf einer wüsten Insel seines jungen Lebens bitter habe wehren müssen. Und auch davon sangen die Fahrenden, daß er von der Greifeninsel seine schöne Königin heimgebracht habe. Nun aber waren das alte Mären, denn die Königin von Irenland führte Hagens Tochter an der Hand, die schöner war, als sie selbst es jemals gewesen. Es lag wie Zauber auf Jungfrau Hildens Gesicht, und mancher edle König, der sie gesehen, hatte seine Brautwerber nach ihr gesandt. Aber die mit Prunk und Trompetenschmettern in den Schloßhof von Baijane geritten waren, die fanden in hänfenen Schlingen ein übles Ende.Zwanzig Boten und mehr ließ Hagen Walant so hängen, sandte den Strick ihren Herren und ließ ihnen melden: Er gebe sein Kind keinem, der nicht ein größerer König sei als er selber.Indessen flog ¿ wie die Schwalbe im Frühjahr fliegt ¿ das Lied über die Lande von der schönen Jungfrau Hilde, die in ihres Vaters arger Hut saß, nicht anders, als ihre Mutter vom Greifen gehütet worden war. Das Lied kam bis ins ferne Dänenland, wo Herr Horand lebte, der dem König Hettel von Hegelingen lehenspflichtig war. Horand war jung und wohlgetan und erfahren in den Waffentaten edler Ritterschaft. Als Sänger aber hatte er nicht seinesgleichen in allen Landen.
Captän an Bord? frug am Morgen des 2. August ein sonngebräunter, breitschultriger ¿ Herr, muß ich sagen, denn er stack wenigstens in feinen Tuchkleidern, mit einem hohen schwarzen Seidenhut und feiner Wäsche. Seine breiten braunen Fäuste, die allen Glacéhandschuhen ingrimmig Trotz boten und ihrem Eigenthümer in jeder anderen Kleidung gewiß Ehre gemacht hätten, ließen aber weit sicherer auf einen Arbeitsmann als auf ein Mitglied der »höhern Classen« schließen, und doch schien er zu denen zu gehören, oder rechnete sich wenigstens selbst dazu.Der Fremde stand in einem der gewöhnlichen Bayboote von Sydney, und hatte die Fallreeps der herunterhängenden Schiffsleiter gefaßt, während er zu dem oben über Bord sehenden Steuermann des »Pelican«, der schon draußen in der Bay von Sydney lag und am nächsten Morgen unter Segel gehen wollte, hinaufrief.»Ay, ay, Sir«, lautete die seemännische Antwort; der Fremde sprang auf die Leiter und lief, nach einem paar mit den Bootsleuten gewechselten Worten, die ihr kleines Fahrzeug gleich darauf festmachten und seine Rückkehr zu erwarten schienen, an Deck.
(Vor den Mauern von Korinth. Links im Mittelgrunde ein Zeltaufgeschlagen. Im Hintergrunde das Meer, an dem sich auf einerLandspitze ein Teil der Stadt hinzieht. Früher Morgen noch vorTages Anbruch. Dunkel.)(Ein Sklave steht rechts im Vorgrunde in einer Grube, mit der Schaufel grabend und Erde auswerfend. Medea auf der andern Seite, vor ihr eine schwarze, seltsam mit Gold verzierte Kiste, in welche sie mancherlei Gerät während des Folgenden hineinlegt.)Medea.Bist du zu Ende?Sklave.Gleich, Gebieterin!(Gora tritt aus dem Zelte und bleibt in der Entfernung stehen.)Medea.Zuerst den Schleier und den Stab der Göttin;Ich werd euch nicht mehr brauchen, ruhet hier.Die Zeit der Nacht, der Zauber ist vorbei
Du willst in meiner Seele lesenUnd still mein bestes Teil empfahn;So schau' mein unvergänglich WesenIm Spiegel meiner Lieder an.Ich bin die Weise, die dich rühret,Ich bin das Wort, das zu dir spricht,Der Hauch, den deine Seele spüret,Ich bin's ¿ und dennoch bin ich's nicht.Denn sieh, noch oft mit heißem RingenDurch Schuld und Trübsal irrt mein Gang,Doch drüber zieht auf reinen SchwingenDie ew'ge Sehnsucht als Gesang.So stürmt der Bach in dunkeln Wogen
Vor vielen Jahren, als im Spessart die Wege noch schlecht und nicht so häufig als jetzt befahren waren, zogen zwei junge Burschen durch diesen Wald. Der eine mochte achtzehn Jahre alt sein und war ein Zirkelschmied, der andere, ein Goldarbeiter, konnte nach seinem Aussehen kaum sechzehn Jahre haben und tat wohl jetzt eben seine erste Reise in die Welt. Der Abend war schon heraufgekommen, und die Schatten der riesengroßen Fichten und Buchen verfinsterten den schmalen Weg, auf dem die beiden wanderten. Der Zirkelschmied schritt wacker vorwärts und pfiff ein Lied, schwatzte auch zuweilen mit Munter, seinem Hund, und schien sich nicht viel darum zu kümmern, daß die Nacht nicht mehr fern, desto ferner aber die nächste Herberge sei; aber Felix, der Goldarbeiter, sah sich oft ängstlich um. Wenn der Wind durch die Bäume rauschte, so war es ihm, als höre er Tritte hinter sich; wenn das Gesträuch am Wege hin und her wankte und sich teilte, glaubte er Gesichter hinter den Büschen lauern zu sehen.
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