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Welchen Stellenwert hat Hermeneutik in der gegenwärtigen geisteswissenschaftlichen Forschung? Dem in etlichen Disziplinen vernehmbaren - und durch die Digitalisierung verstärkten - Aufruf zu einer Abkehr von der Hermeneutik setzen die Beiträge des vorliegenden Bandes neue Perspektiven auf sie entgegen. Sie zeigen auf, warum das Problem des Verstehens trotz immer raffinierter operierender Algorithmen weiterhin akut ist und wieso die Fähigkeit des Sinnverstehens selbst für die ausgefeiltesten Textverarbeitungsprogramme noch in weiter Ferne liegt. Darüber hinaus demonstrieren sie, wie sich die Hermeneutik praxeologisch erweitern lieÃe, um so die von der hermeneutischen Tradition weitgehend vernachlässigten materiellen, performativen und institutionellen Anteile an der Praxis des Verstehens herauszuarbeiten. Zur Sprache kommen nicht zuletzt zeitgeschichtliche Voraussetzungen hermeneutischer Vereindeutigungsstrategien sowie Ansätze, die den Ausgangspunkt der Hermeneutik eben dort verorten, wo er in der Regel nicht gesucht wird: im Nicht-Verstehen. Präsentiert werden damit Positionen, die die anhaltende Relevanz der hermeneutischen Reflexion für die geisteswissenschaftliche Forschung zeigen.
Angesichts der Ausweitung und Aufweichung des Textbegriffs in der kultur- und geisteswissenschaftlichen Forschung scheint es angebracht, nach den besonderen Verfahren wie Leistungen sprachlicher Bedeutungsbildung zu fragen, um so den spezifischen Kern sprachlicher Generierung von Bedeutung zu erfassen. Denn erst in Bezug auf ihn sind intermediale Vergleiche und Unterscheidungen sinnvoll. Zentral ist dabei vor allem das Verhältnis von Prädikation und Bedeutung. Die Prädikation wird dabei als das logische Grundmuster aller sprachlichen Sätze begriffen, das sich in seiner abstraktesten Form als die Zuschreibung einer Eigenschaft an einen Träger dieser Eigenschaft bestimmen lässt. Die Beiträge, die dieser Band versammelt, beleuchten die mit dem Verhältnis von Prädikation und Bedeutung zusammenhängenden Fragen aus der Warte unterschiedlicher theoretischer Sichtweisen wie disziplinärer Orientierungen. Im Einzelnen handelt es sich um Texte aus linguistischer, sprachphilosophischer, literaturwissenschaftlicher, kunstwissenschaftlicher, soziologischer und musikwissenschaftlicher Sicht. Zur Sprache kommen dabei auch Beiträge, die die Frage nach den Verfahren der Bedeutungsgenese in nicht-sprachlichen Medien untersuchen.
Welchen Stellenwert haben Texte in verschiedenen Kulturen? Dieser Frage nähert sich der vorliegende Band von verschiedenen Seiten. Beginnend mit der semiotischen Vorgeschichte der unabhängig voneinander entstandenen Schriftsprachen in Mesopotamien, Ägypten und Mesoamerika und ihrer linguistischen Konvergenz, wird sodann das Verhältnis von Schriftlichkeit und Mündlichkeit unter sinologischen und japanologischen Gesichtspunkten beleuchtet. Mit Blick auf Europa spannt sich der Bogen von den unterschiedlichen Wegen, die die in der lateinischen Kultur vorausgesetzte Einheit von Sprache und Schrift bei der Entstehung der europäischen Volkssprachen ging, bis zu Überlegungen zu Genettes Texttheorie. Das Phänomen Text aus kulturübergreifender Perspektive zu untersuchen, ist wichtig, denn schließlich lassen sich in der geistes- und kulturwissenschaftlichen Forschungsgeschichte zahlreiche Beispiele für eine eurozentristisch verkürzte Interpretation außereuropäischer Kulturpraktiken anführen, so dass sicher geglaubte Erkenntnisse über die genuinen Leistungen der Sprache oder des Textes allenfalls vor dem Hintergrund der europäisch-westlichen Geistes- und Kulturgeschichte gewisse Geltung für sich beanspruchen können, nicht aber darüber hinaus.
The essays on Dante collected in this volume interpret his Commedia as the attempt of a renewal of the Christian work of salvation by means of literature. In the view of his author, the sacro poema responds to a historical moment of extreme danger, in which nothing less than the redemption of mankind is at stake. The degradation of the medieval Roman Empire and the rise of an early capitalism in his birth town Florence, entailing a pernicious moral depravation for Dante, are to him nothing else but a variety of symptoms of the backfall of the world into its state prior to its salvation by the incarnation of Christ. Dante presents his journey into the other world as an endeavor to escape these risks. Mobilizing the traditional procedures of literary discourse for this purpose, he aims at writing a text that overcomes the deficiencies of the traditional Book of Revelation that, on its own terms, no longer seems capable of fulfilling his traditional tasks. The immense revaluation of poetry implied in Dante's Commedia, thus, contemporarily involves the claim of a substantial weakness of the institutional religious discourse.
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