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Der Briefwechsel zwischen Goethe und Zelter in den Jahren 1799 bis 1832 wurde lange Zeit vor allem wegen seines 'menschlichen Wertes' geschatzt. Im Vergleich mit dem Schillerbriefwechsel und den "e;Gesprachen mit Eckermann"e; galt er dagegen als intellektuell und kunstlerisch unbedeutend. Die vorliegende Quellenstudie versucht eine Neubewertung des umfangreichen und vielseitigen Konvolutes, indem sie es als autobiographischen und anthropologischen Text ernst nimmt. Das Thematische und Asthetische der Briefe wird nicht vorausgesetzt, sondern konsequent aus der eigenen Rationalitat dieser auf den ersten Blick eigentumlichen, aber gelungenen Freundschaft der beiden ungleichen Manner entwickelt. Dabei zeigt sich, mit welcher Originalitat, Folgerichtigkeit und Bewutheit beide Partner die Korrespondenz als Form sui generis in ihrem Sinne auspragen, wie sie ihre so unterschiedlichen Briefe als Sprach- und Lebenskunst zugleich begreifen. Schon fruh, nach Schillers Tod 1805 und den historischen Umwalzungen des Jahres 1806, pflegen die Freunde den Briefwechsel als Metapher des eigenen Lebens, als dialogische Autobiographik, als ironisch-distanzierte Zeitzeugenschaft. Mit einer Kette weiterer gemeinsam bewaltigter Todesfalle in der nachsten Umgebung und der Erfahrung fortschreitenden Alters nehmen diese Merkmale des Briefwechsels zu. Mitte der zwanziger Jahre beschlieen Goethe und Zelter die posthume Veroffentlichung der vollstandigen Korrespondenz und machen sie (von nun an im Blick auf den eigenen Tod schreibend) zum erregenden Dokument eines anthropologischen Selbstversuchs: Die Summe der einzelnen Briefe soll ihre latente Folgerichtigkeit offenlegen, die Masse der zufalligen Lebenszeugnisse sich wieder zum 'Leben' zusammenfugen. Die Frage nach der naturlichen Grundlage von Sprache und Schrift, nach der Moglichkeit, Biologie in Biographie zu verwandeln, bildet den Hohepunkt eines Briefwechsels, der sich von Anfang an selbst thematisierte.
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