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"Der Komponist und sein Amt" eröffnet die Stücke "Zur erwachsenen Musikkultur der Frühen Neuzeit" mit einem Blick auf einige Komponisten im extensiven Sinn. Unter dem Arbeitstitel "Singen - Spielen - Hören" setzt der Autor damit seine Musikgeschichte für Musikpädagogen fort. Ging es in der Musik des Mittelalters (siehe "Ausgerechnet Mittelalter?!", Norderstedt 2010) um die "Kindheit und Jugend unserer Musikkultur", so geht es nun, in der Epoche der Frühen Neuzeit (1500-1800), um deren vergleichsweises Erwachsenenalter. Die sog. Entwicklung unserer Musik wird dabei weiterhin auf der Grundlage eines Begriffs von Musik als einer menschlichen Tätigkeit und aus einem sozialwissenschaftlichen und anthropologischen Interesse heraus überdacht und interpretiert. Da in der anzusprechenden Epoche das Hervortreten von Komponisten als große Persönlichkeiten ein wesentliches Charakteristikum bildet, erscheint es dienlich, Einblicke in Lebensgeschichten einiger Komponisten zu nehmen, hier in die von Orlando di Lasso, Michael Praetorius, Claudio Monteverdi, Jean-Baptiste Lully, Heinrich Schütz, Johann Sebastian Bach und Joseph Haydn sowie in die sozusagen halbe von Wolfgang Amadeus Mozarts Zeit in Wien. In den siebeneinhalb bio-graphischen Durchgängen tritt dabei nicht zuletzt die zentrale Funktion des Amtes (z. B. eines Kapellmeisters oder Kantors) für die epochale Entwicklung der Musik als ein menschliches Tätigsein hervor: Der "musikalische Mensch" macht sich zu einem über sich als musikalisch Tätigen in wachsender Selbstverantwortlichkeit Verfügenden und damit zu einem kulturell und musikalisch vergleichsweise Erwachsenen. Dies gilt für den solches Tätigsein aus dem Amt des Kapellmeisters oder Kantors heraus entwerfenden Komponisten ebenso wie für den solches sich im Mitvollzug aneignenden Auftraggeber und Adressaten.
"Spielen als Andacht" ist unmittelbar aus dem Hören der Streichquartette Joseph Haydns anhand von CD-Einspielungen (vor allem des Kodály-Quartetts) formuliert. Hat Haydn das Streichquartett "erfunden"? Sicher nicht! Und doch: wenn auch andere Komponisten, voran Luigi Boccherini, seinerzeit entsprechende Entwürfe für zwei Violinen, Viola und Violoncello vorlegten, so war es eben Haydn, der solches instrumentale Spielen in, ja als "Andacht" in einem quasi-religiösen Sinn entwarf und es damit in eine Ernsthaftigkeit hob, die, von Mozart angefangen, allen folgenden Komponisten zum Maßstab wurde. In Haydns Quartetten wendet sich instrumentales Spielen sozusagen (zuerst) dem Spielenden und dann auch dem Mit-Spielenden (= Hörenden) zu. Es versetzt diese in eine Art hingegebene Konzentration, die sich, wenn auch zugegeben spekulativ, als wohl noch unmittelbar aus einer selbstverständlichen Religiosität des Komponisten herleiten lässt. Die "Quadros" Haydns, als ein Selberspielen "entre nous" entworfen, erscheinen uns so zumindest ab dem sog. Op. 9 als eine abschließende Etappe religiöser Emanzipation innerhalb einer spezifisch katholischen Welt am Ende der Frühen Neuzeit. Indem wir ihnen als einer Art Andacht begegnen, in der persönliche Religiosität bzw. religiöse Ausgangssujets in ein emanzipiert-meditatives Spielen und vor allem Mitspielen (= Hören) übertragen und verallgemeinert erscheinen, lassen sie uns die alte Kontroverse zwischen einem angeblichen "Vergnügen des Verstandes" (Haydn) und einem "emotionalen Wert" (Boccherini) obsolet werden.
"Ich höre Haydn" ist unmittelbar aus dem Hören der Sinfonien Joseph Haydns anhand von CD-Einspielungen (Austro-Hungarian Haydn Orchestra; Adam Fischer) und auf der Basis von Hörprotokollen formuliert. Haydns Sinfonien allein vom Hören her und ohne die überlieferten Partituren anzugehen, entspricht einem Bemühen, die persönliche Vorstellung von diesem Komponisten in Richtung einer annähernd kontemporären hin zu vertiefen. Aus einer eher tätigkeitsorientierten Musikauffassung heraus wird dabei versucht, in spekulativer Weise möglichen Sujets von knapp 60 Sinfonien nachzugehen, die Haydns Komponieren geleitet haben könnten und die für die Singularität der einzelnen Zyklen verantwortlich wären. Eine solche Annäherung an Sinfonien Haydns folgt Giuseppe Carpanis Bericht von 1812, dass Haydn sich "eine Art von Rahmen oder Programm ausdachte, worauf er seine musikalischen Ideen und Farben anbringen konnte"; er habe sich so seine Phantasie erhitzt und sie auf ein vorgegebenes Ziel hingelenkt. Überhaupt scheint ein Hören von vorgestellten Sujets her nahezulegen, dass der Komponist öfters mehrere Sinfonien unter einen gemeinsamen thematischen Rahmen gestellt haben dürfte, so z. B. die Sinfonien 66 bis 68 unter den des Patroziniums "Mariä Empfängnis" der Bergkirche in Eisenstadt. Den Abschluss des Extempores bilden Notizen zu den sechs Späten Messen, die sich einem sujetbegleiteten Hören als "Vokalsinfonien" erschließen.
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