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Am Ende des 19. Jahrhunderts, das den Fortschritt und die wissenschaftlich-technische Beherrschung des Lebens zu kulturellen Leitmaximen erklärt, rückt ein menschliches Vermögen in den Vordergrund: die Willenskraft. Im breiten Spektrum zwischen der Literatur des Naturalismus und den philosophischen, thermodynamischen, psychophysischen, experimentalpsychologischen und sozialtheoretischen Konjunkturen des Begriffs rekonstruiert die Arbeit die vielfältigen Selbstdeutungen, die die Ermächtigungen und Erschöpfungen des Willens der modernen Kultur bereitstellen. Im Namen dieses doppelten Willens begründet der Naturalismus eine literarische Moderne, die ihr mitleidloses Bewegungsgesetz dem darwinistischen Daseinskampf ablauscht, die sich- lange vor dem Dezisionismus der Weimarer Zeit - willig Tätern, Entscheidern und Opfergewalten überlässt und die sich zugleich als Elegie ihrer überlebten sozialen Traditionen und entropischen Formverluste betrauert. Vor diesem Hintergrund entsteht eine naturalistische Vorgeschichte jener ,klassischen' literarischen Moderne, die sich nach 1900 gewöhnlich als traditionslos begreift.
Der Schnittpunkt von Literaturwissenschaft und soziologischer Systemtheorie, wie sie mageblich von Niklas Luhmann ausgearbeitet wurde, ist bislang ausnahmslos die moderne, d.h. ausdifferenzierte Literatur seit 1800 gewesen. Als notwendige Erganzung der systemtheoretischen Literaturwissenschaft betreibt die Studie nun erstmals eine Anpassung der Systemtheorie an die strukturell ganz anders gelagerte Poetik Alteuropas zwischen 1600 und 1750- was vor allem bedeutet, da das poetologische Material nicht allein immanent rekonstruiert, sondern an einen theoretisch kontrollierten Modernisierungsdiskurs angeschlossen wird. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die hierzu komplementare Hypothese, da die vornehmlich als Ereignis beschriebene Ausdifferenzierung des modernen Literatursystems vor dem Hintergrund einer allmahlich auf selbsterzeugte Innovationsmoglichkeiten reagierende Poetik vielmehr als semantisch widerspruchlicher und temporal groraumig verlaufender Proze gefat werden mu, der sich weitgehend parallel zur soziokulturellen Evolution im Ubergang zur Moderne vollzieht. In systematischer Hinsicht folgt die Untersuchung dem Umbau zentraler rhetorisch-poetologischer Leitkonzepte wie etwa Stil, Nachahmung und Geschmack. Neben den im engeren Sinne systemtheoretischen Zugriffen auf das semantische Material bemuht sich die Untersuchung- indem sie die Medienbasis wie die Interaktionskontexte des poetologischen Wissens berucksichtigt- um eine Vermittlung von System- und Medientheorie, die gegenwartig noch immer schwach entwickelt ist.
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