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Die Selbstbetrachtungen des römischen Kaisers Marc Aurel sind die letzte bedeutende Hinterlassenschaft aus der philosophischen Schule der jüngeren Stoa. Sie werden zur Weltliteratur gezählt. Entstanden sind sie am Ende von Mark Aurels Herrschaft in Feldlagern an der Nordgrenze des Römischen Reiches. In einer Vielzahl persönlicher Beobachtungen aphoristischen Zuschnitts entfaltet der Kaiser dabei sein Weltbild im Selbstdialog. Maßgebliche Richtschnur für das eigene Denken und Handeln waren ihm die Einordnung in und die Übereinstimmung mit der "Allnatur". Vernunftleitung und Gemeinwohlorientierung gehören zu den in zahlreichen Wendungen variierten Konstanten der Selbstbetrachtungen, zu denen Mark Aurel auch die Rückwirkungen seines Amtes auf die eigene Person antrieben: "Verkaisere nicht!"
"Das Leben ist kurz. Man nutze das Dasein mit Vernunft und Gerechtigkeit." Die Reflexionen Mark Aurels (121 - 180 n. Chr.), sein Bemühen um Selbsterkenntnis, bilden eines der eindrucksvollsten Zeugnisse der abendländischen Literatur. Der Gegensatz zwischen der weltbeherrschenden Stellung, die er als römischer Kaiser fast zwanzig Jahre innehatte, und der Bescheidenheit, mit der er auftritt und sich selbst sieht, ist ein wichtiger Grund für die Faszination, die dieses im Feldlager entstandene Buch der Weisheit noch heute ausübt.
1. Von meinem Großvater [Verus] weiß ich, was edle Sitten sind und was es heißt: frei sein von Zorn.2. Der Ruf und das Andenken, in welchem mein Vater steht, predigen mir Bescheidenheit und männliches Wesen.3. Der Mutter Werk ist es, wenn ich gottesfürchtig und mitteilsam bin; wenn ich nicht nur schlechte Taten, sondern auch schlechte Gedanken fliehe; auch daß ich einfach lebe und nicht prunke wie reiche Leute.4. Mein Urgroßvater litt nicht, daß ich die öffentliche Schule besuchte, sorgte aber dafür, daß ich zu Hause von tüchtigen Lehrern unterrichtet wurde, und überzeugte mich, daß man zu solchem Zweck nicht sparen dürfe.5. Mein Erzieher gab nicht zu, daß ich mich an den Wettfahrten beteiligte, weder in Grün noch in Blau, auch nicht, daß ich Ring- und Fechterkünste trieb. Er lehrte mich Mühen ertragen, wenig bedürfen, selbst Hand anlegen, mich wenig kümmern um anderer Leute Angelegenheiten und einen Widerwillen haben gegen jede Ohrenbläserei.6. Diognet bewahrte mich vor allen unnützen Beschäftigungen; vor dem Glauben an das, was Wundertäter und Gaukler von Zauberformeln, vom Geisterbannen usw. lehrten; davor, daß ich Wachteln hielt, und vor andern solchen Liebhabereien. Er lehrte mich ein freies Wort vertragen; gewöhnte mich an philosophische Studien, schickte mich zuerst zu Bacchius, dann zu Tandasis und Marcian, ließ mich schon als Knabe Dialoge verfassen und gab mir Geschmack an dem einfachen, mit einem Fell bedeckten Feldbett, wie es bei den Lehrern der griechischen Schule im Gebrauch ist.7. Dem Rusticus verdanke ich, daß es mir einfiel, in sittlicher Hinsicht für mich zu sorgen und an meiner Veredlung zu arbeiten; daß ich frei blieb von dem Ehrgeiz der Sophisten; daß ich nicht Abhandlungen schrieb über abstrakte Dinge, noch Reden hielt zum Zweck der Erbauung, noch prunkend mich als einen streng und wohlgesinnten jungen Mann darstellte, und daß ich von rhetorischen, poetischen und stilistischen Studien abstand; daß ich zu Hause nicht im Staatskleid einherging oder sonst etwas derartiges tat, und daß die Briefe, die ich schrieb, einfach waren, so einfach und schmucklos, wie er selbst einen an meine Mutter von Sinuessa aus schrieb. Ihm habe ich¿s auch zu danken, wenn ich mit denen, die mich gekränkt oder sonst sich gegen mich vergangen haben, leicht zu versöhnen bin, sobald sie nur selbst schnell bereit sind, entgegenzukommen. Auch lehrte er mich, was ich las, genau zu lesen und mich nicht mit einer oberflächlichen Kenntnis zu begnügen, auch nicht gleich beizustimmen dem, was oberflächliche Beurteiler sagen. Endlich war er¿s auch, der mich mit den Schriften Epiktets bekannt machte, die er mir aus freien Stücken mitteilte.
Mark Aurel (121-180), auch Marc Aurel oder Marcus Aurelius, war von 161 bis 180 römischer Kaiser und als Philosoph der letzte bedeutende Vertreter der jüngeren Stoa. Mit seiner Regierungszeit endete in mancherlei Hinsicht eine Phase innerer und äußerer Stabilität und Prosperität für das Römische Reich, die Ära der sogenannten Adoptivkaiser. Mark Aurel war der letzte von ihnen, denn in seinem Sohn Commodus stand ein leiblicher Erbe der Herrscherfunktion bereit. Sein letztes Lebensjahrzehnt verbrachte Mark Aurel daher vorwiegend im Feldlager. Hier verfasste er die Selbstbetrachtungen, die ihn der Nachwelt als Philosophenkaiser präsentieren und die mitunter zur Weltliteratur gezählt werden. Aus dem Buch: "Wer nur das, was zur rechten Zeit geschieht, für ein Gut hält, wem es gleichgültig ist, ob er eine größere oder kleinere Zahl vernunftgemäßer Handlungen aufzuweisen habe, wer zwischen einer länger oder kürzer dauernden Betrachtung der Welt keinen Unterschied macht, für den ist auch der Tod nichts Furchtbares."
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