Bag om Vom nuklearen Abgrund zur nuklearen Abrüstung 1981-1987
Es war der 1. März 1982 - und die USA befanden sich im Kampf ums nackte Überleben. Man brachte Präsident Reagan in den Situation Room des Weißen Hauses, wo er ein Briefing zur aktuellen Bedrohungseinschätzung der Nachrichtendienste erhielt: Der Warschauer Pakt machte mobil, es schien nun definitiv ernst zu werden. Dann trafen die ersten Meldungen ein, wonach sowjetische Interkontinentalraketen gestartet worden seien; die vermutlichen Einschlagsorte wurden prognostiziert. Nur wenige Minuten später erschienen auf den Bildschirmen vor den Augen Ronald Reagans die ersten roten Punkte auf der Landkarte der USA - markierend die nuklearen Detonationen. Inzwischen lag sicherlich auch London in Schutt und Asche, und für diesen Fall hatte gerade die britische Seemacht spezielle Vorkehrungen getroffen. Nach vier Stunden Totenstille in der Heimat würde die Royal Navy aktiv werden. Derartige "War Games" und Kriegssimulationen spielen eine prominente Rolle in Band 6 der Gesamtstudie "Vom Raketenschach der Kubakrise zum Krieg gegen den Terrorismus", Resultat eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG unterstützten Forschungsprojektes: Die Studie wendet sich der direkten Konfrontation zwischen den USA und der UdSSR, zwischen NATO und Warschauer Pakt in den 80er Jahren zu, dem Höhepunkt der Spannungen in jenem Zweiten Kalten Krieg. Die Darstellung erstreckt sich von der Militärpolitik Präsident Reagans und insbesondere seinen SDI-Visionen über die (in den meisten Darstellungen zum Thema NATO-Doppelbeschluss vergessene) maritime Komponente der westlichen Nachrüstung bis hin zu den Anfängen einer neuen Détente und zu den Abrüstungsverhandlungen zwischen Reagan und Gorbatschow. Dabei beleuchtet die Analyse nicht nur zwei besonders gefährliche und dramatische Episoden aus jener Zeit - den Nuklearalarm von Serpukhov-15 und die sowjetische Wahrnehmung der NATO-Kommandostabsübung "Able Archer 83" (ein noch immer rätselhaftes, ja mythenumranktes Kapitel des Kalten Krieges, welches sich im November 2013 zum 30. Mal jährt), sie bietet dem interessierten Leser auch drei weitere "Höhepunkte": Zum ersten wirft die Studie einen Blick auf die sowjetische Militärdoktrin in den späten 70er und 80er Jahren, und sie zieht dazu auch höchst bemerkenswerte, erst vor kurzem freigegebene Quellen heran: Die Insiderberichte und Dokumentenlieferungen des polnischen Oberst Ryszard Kuklinski, des Top-Spions der CIA unter den Generalstabsoffizieren des Warschauer Paktes. Zum zweiten analysiert die Studie eine große Zahl von Geheimdienstdossiers der DDR-Auslandsspionage, also der Hauptverwaltung Aufklärung HVA der "Stasi" aus den 80er Jahren, welche für die einzelnen NATO-Staaten exakt die jeweiligen militärischen Stärken, aber insbesondere auch die Achillesfersen auflisten. Sollten jene Schwachstellen nicht beseitigt werden, so ein HVA-Bericht 1984, "würde die Abhängigkeit der NATO vom Kernwaffeneinsatz weiter zunehmen." Wenn die konventionelle Rüstung der Allianz nicht beschleunigt werde, so laut HVA auch das Resümee der NATO-Führung, dann bewegte sich die Flexible-Response-Strategie noch immer auf einer sehr fragilen Grundlage: "Damit bleibe die Gefahr politischer Druckausübung und von 'Aggressionen' gegen die NATO erhalten, verbunden mit dem Zwang zum frühzeitigen Einsatz von Kernwaffen." Vor allem eine spezielle Schwachstelle hob die ostdeutsche Auslandsspionage regelmäßig hervor: Viele NATO-Verbände hätten im Falle eines massierten Einsatzes von Giftgas durch den Warschauer Pakt kaum eine Überlebenschance! Und zum dritten war der HVA gegen Ende 1983 eine ausführliche, computergestützte Kriegssimulation des NATO-Hauptquartiers in die Hände gefallen, welche mit großer Detailgetreue das Szenario eines Angriffs des Warschauer Paktes auf die Bundesrepublik Deutschland durchspielte - außerordentlich präzise Informationen über eine Landkriegssimulation der NATO, welche das zuvor ausspionierte Wissen
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